„Scheißdebatte“ um die Nummer eins

SOS – Schröder oder Scharping? Zur augenblicklichen Gretchenfrage der Sozialdemokratie geben immer mehr Beteiligte bereitwillig Auskunft, doch die richtungsweisende Antwort weiß noch keiner  ■ Aus Bonn Karin Nink

Wir hatten uns ein ordentliches Sommertheater gewünscht. Aber nach drei Sätzen Schröder – Scharping, Scharping – Schröder wurde die Inszenierung gähnend langweilig.

Leise Hoffnung auf ein spannenderes Schauspiel keimte erst wieder auf, als Scharpings Duzfreund Joschka Fischer sein Grundsatzpapier zum Bosnien- Einsatz publik machte. Da war immerhin politischer Zündstoff drin. Heftige Diskussionen waren zu erwarten. Endlich eine Vorlage, bei der es so richtig schön zur Sache gehen konnte. Aber leider, leider wollen sich die Sozen die eigene Show nicht stehlen lassen. Wider alle Mahnungen ihres Parteichefs kennen sie kein anderes Thema als – ihn.

Vor knapp zwei Wochen verkündete Schröder, er wolle sich bis nach der Berliner Landtagswahl zurückhalten, zwei Tage später stänkerte er wieder los: Den Kanzlerkandidaten, so wie Scharping das wünsche, schon 1995 festzulegen halte er „für einen Fehler“. Damit nicht genug, machte er bei gleicher Gelegenheit dem Umweltfachmann Michael Müller und dem SPD-Sozialexperten Rudolf Dreßler deutlich, wer in Fragen des Produktionsstandortes Deutschland und der Arbeitszeitgestaltung über die eigentliche Sachkompetenz in der Partei verfügt – und wer eben nicht.

Das Stichwort aufgegriffen haben Detlev von Larcher, Sprecher des Frankfurter Kreises, Bundestagsvizepräsident Ulrich Klose, die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Thierse und Otto Schily und der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Fraktion Peter Struck. Schützend vor Schröder stellt sich aber allen Umfrageergebnissen zum Trotz, wonach Schröder der populärere Kanzlerkandidat sei, nur Klose. Der Ex-Fraktionsvorsitzende tritt seinem Nachfolger Scharping kräftig vors Schienbein: „Es ist nicht gottgegeben, daß Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in einer Hand liegen“, verkündete er. Und Schröder habe mit seinem Ansatz, „der SPD wirtschaftliche Kompetenz zu erarbeiten“, recht. Nur so könne ein rot-grünes Bündnis in Bonn mehrheitsfähig werden. Scharping habe für die Bundestagswahl nur „einen klassischen Verteilungswahlkampf“ geführt. Von Larcher, Thierse, Schily, Struck und auch Oskar Lafontaine dagegen stellten sich hinter Scharping als Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidat. Der Ex-Grüne Schily kommt zu der für Sozialdemokraten scheinbar nur schwer nachvollziehbaren Erkenntnis: „Klare Verhältnisse in der Führung sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik.“ Er traut Scharping als „künftigem Bundeskanzler“ zu, die grundlegenden Reformen in Deutschland durchzusetzen. Schließlich suche dieser die Konfrontation mit dem politischen Gegner und nicht mit der eigenen Partei. Und Peter Struck schließlich hat von der „Scheißdebatte“ um die Kanzlerkandidatur endgültig die Nase voll. „Für mich ist die Nummer eins jetzt auch die Nummer eins 1998.“ Ende dieses Akts.

Absoluter Garant für die Fortsetzung des Theaters ist übrigens der bayerische SPD-Generalsekretär Albert Schmid. Nie gehört? Dabei hat er sich doch in den vergangenen Wochen als absoluter Schröder-Gspusi geoutet. Wer weiß, wozu es gut ist, wird er sich denken. Wenn der Gerhard doch das Rennen macht, ist SPD-Vorzeigefrau Renate Schmidt als Scharping-Anhängerin sowieso weg vom Fenster. Da muß man halt vorbauen, gell. Schließlich ist es mit dem Schmid(t)einander in Bayern ja mindestens so schlecht bestellt wie mit der Troika in Bonn. Wen stört es dann noch, daß fünf von sieben SPD-Bezirksvorsitzenden Schmids (ohne t) Rücktritt gefordert haben für den Fall, daß er wieder ausschert.

Apropos Troika. Gut, daß Ulrich Klose sie uns in der Woche noch mal als „Legende“ in Erinnerung gerufen hat. Wir hätten sie sonst glatt vergessen.

Übrigens, wo steckt eigentlich Gerhard Schröder? Am Kap der Guten Hoffnung. Sein nächster Aufritt kommt wohl nächste Woche.