Li machte Peng: China zündet Bombe

■ Trotz weltweiter Proteste macht China weiter mit Atomtests. Scharping will Weltfrauenkonferenz verlegen

Peking/Berlin (taz) – Chinas Führung läßt nicht von der Bombe. Trotz weltweiter Kritik an den Atomversuchen hat die Pekinger Führung in der Nacht zu gestern in Lop Nor erneut eine Atombombe zünden lassen. Der jüngste Test im Nordwesten des Landes ist der zweite innerhalb von drei Monaten, der 43. insgesamt.

Chinas Nachbarn sind zunehmend besorgt über die Atompolitik und die gleichzeitigen Drohgebärden der chinesischen Führung gegenüber Taiwan beim Streit um eine Inselgruppe vor der Küste. Japan bestellte gestern den chinesischen Botschafter ein und drohte, schon zugesagte Kreditgarantien zurückzuziehen. Die Atomexplosion „fünfzig Jahre nach dem Kriegsende und den ersten Atombombenabwürfen ist sehr bedauerlich“, so Kabinettssekretär Koken Nosaka. Auch Vietnam verurteilte die Tests.

Die Bundesregierung erklärte in Bonn, ihre kritische Haltung zu Atomtests sei bekannt. SPD-Chef Rudolf Scharping sprach dagegen von einer „schwerwiegenden internationalen Provokation“ und einem Affront gegen die UN. Die Weltfrauenkonferenz sollte nicht in Peking stattfinden, sondern kurzfristig in ein anderes Land verlegt werden. Die Bündnisgrünen warfen der Kohl-Regierung eine devote Haltung gegenüber dem Regime in Peking vor. Chinas Regierung entwickele sich mit Massenhinrichtungen und Atomtests immer mehr zum „internationalen Provokateur“, so die Vorstandsmitglieder Krista Sager und Jürgen Trittin.

Der jüngste Test kam nur zwei Tage nachdem führende Mitglieder von Greenpeace auf Pekings Tiananmen-Platz festgenommen worden waren. Sie hatten dort für ein Ende der Atomtests demonstriert. Die sechsköpfige Gruppe, die gewarnt hatte, daß ein neuer chinesischer Test unmittelbar bevorstehe, war zwölf Stunden lang festgehalten und anschließend des Landes verwiesen worden. Greenpeace begann gestern mit Protesten vor der chinesischen Botschaft in Bonn und den Konsulaten in Berlin und Hamburg. Auch beim vorhergegangenen Test Mitte Mai hatte das Regime in Peking die Weltöffentlichkeit ignoriert. Er fand nur drei Tage nach dem Ende der Verhandlungen zum Atomwaffensperrvertrag statt, bei denen China „äußerste Zurückhaltung“ in seiner Testpolitik versprochen hatte.

In einer kurzen Stellungnahme der offiziellen Nachrichtenagentur New China, die keinerlei Details enthielt, wurde berichtet, daß das durch den Test vom Donnerstag ausgelöste Beben nach Angaben der seismologischen Station in Canberra auf eine Stärke von 5,6 auf der Richter- Skala geschätzt werde und in der Teststation in der Lop-Nor-Wüste der westlichen Provinz Sinkiang stattgefunden haben soll. Die Regierung in Peking weigerte sich, sich dem seit 1992 von den anderen Atommächten praktizierten Moratorium anzuschließen. Sie will bis Mitte 1996 noch vier Atombomben explodieren lassen. Und dies, obwohl sie selbst sagt, sie wolle sich an einen Vertrag über einen dauerhaften Teststopp halten, der 1996 in Kraft treten soll. Bei der Verteidigung des Tests hat China betont, daß es weniger Tests durchgeführt habe als die anderen Nuklearmächte: die Vereinigten Staaten, England, Frankreich und Rußland. „China steht für ein komplettes Verbot und eine gründliche Zerstörung von Atomwaffen“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Chen Jian. „Chinas geringe Zahl von Nuklearwaffen dient ausschließlich der Selbstverteidigung und stellt keine Bedrohung für irgendein anderes Land dar.“

Westliche Militärbeobachter sagen, Chinas Testprogramm sei ein Zeichen für Chinas Anstrengung, leichtere und stärkere Sprengköpfe zu entwickeln, die den Westen von einem Angriff abschrecken würden. Nach westlichen Militärgutachten soll China im Besitz von 450 Atomsprengköpfen sein. Die Tests wiesen auf Chinas wachsenden militärischen Einfluß in internationalen Beziehungen hin und auf die Angst der chinesischen Führung, bei der bevorstehenden Nachfolge des kränkelnden Staatschefs Deng Xiaoping zu weich zu erscheinen.

Australien, Neuseeland und die Umweltminister der fünfzehn Staaten des Südpazifik-Forums haben China ebenfalls kritisiert. „Es ist wichtig, daß die chinesische Regierung einsieht, daß sie nicht einfach mit den Atomtests weitermachen und hoffen kann, die internationale Gemeinschaft werde ein Auge zudrücken“, sagte der neuseeländische Premier Jim Bolger in der Hauptstadt Wellington. Das französische Außenministerium ließ die chinesischen Atomtests gestern unkommentiert. Sheila Tefft Seite 10