Staatsanwalt ermittelt gegen Staatsrat

■ Seit September lag die Akte von Celal Akan im Sozialressort bei Hoppensack

Drei Tage, nachdem die Solidarische Hilfe gegen unbekannte Bedienstete des Landes und der Stadtgemeinde Bremen Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung gestellt hat, fallen erste Glieder aus der „bürokratischen Fehlleistungskette“, die nach Meinung von Hans-Christoph Hoppensack Schuld am Tod von Celal Akan war:

Herbert Wiedermann, Leiter des Sozialamtes Mitte-West, in dessen Einzugsbereich sich der kranke Yezide seit März befand, stellt gegenüber der taz fest: „Die Hauptakte war nie hier. Wir hatten immer nur die Interimsakte, und da waren die ärztlichen Gutachten nicht drin.“ Auf Anfrage bestätigte jetzt das Gesundheitsressort, daß die Hauptakte bereits im September vom damals zuständigen Sozialamt Horn-Lehe angefordert und dann nicht mehr an die unteren Ämter zurückgegeben wurde.

Damit aber ist klar, daß die jeweils zuständigen Sozialämter die Kostenübernahme für die Operation gar nicht hätten erteilen können, da ihnen die dafür notwendigen Unterlagen fehlten. Hans-Christoph Hoppensack aber behauptete im Panorama-Bericht am Donnerstag ebenso wie sein Pressesprecher gegenüber der taz, „die Sozialämter hätten entscheiden müssen“. Von den Kompetenzmöglichkeiten her ist das richtig beschrieben, doch diese Möglichkeiten waren real mit den Unterlagen ins Gesundheitsressort übergegangen. „Die hätten ja die Akten zurückfordern können“, stellt sich Pressesprecher Wolfgang Beyer hinter die obere Behörde. Man könne doch, zumal bei einem so dringlichen Fall, eine Akte nicht abgeben, um sie dann nicht mehr zurückzufordern. Wohlgemerkt: die Akte wurde nicht vom Sozialamt abgegeben, sie wurde vielmehr von der Behörde angefordert. „Organisierte Unverantwortlichkeit“?

Auch die am Donnerstag von Wolfgang Beyer behauptete zweifache Bewilligung der Kostenübernahme ist nicht Fakt, sondern bestenfalls eine Interpretation seiner Behörde. Die Ende des Jahres erteilte Bewilligung, die angeblich nicht zugestellt werden konnte, weil Celal Akan sich in Schweden aufhielt, hat es nicht gegeben. Frau Wichert, im Gesundheitsressort Mitarbeiterin bei der Abteilung wirtschaftliche Hilfen, gab den Vorgang an ihren Chef Gerd Wenzel weiter. Beide empfahlen grundsätzlich die Kostenübernahme und legten den Vorgang zwecks Unterschrift ihrem Staatsrat vor. Hoppensack hat nie unterschrieben, sondern mit neuen Fragen das Verfahren verzögert.

Auch die vermeintlich im April 95 dem Sozialamt Mitte-West mündlich erteilte Bewilligung war gebunden an eine nochmalige Untersuchung des Patienten durch das Hauptgesundheitsamt. Der Vermerk, den Frau Wichert drei Tage nach dem Tod von Celal Akan anlegte, liegt der taz vor. Warum sie ihn anlegte, sei dahingestellt. Jedenfalls belegt er, daß der Sozialamtsmitarbeiter Hartung im Panorama-Bericht wahrheitsgemäß antwortete: Es gab keine Bewilligung, sondern eine Aufforderung, Celal Akan nochmals untersuchen zu lassen.

Weitere Indizien sprechen dafür, daß Hans-Christoph Hoppensack den Vorgang verschleppen wollte. Nachdem er das Interview mit dem Redakteur von Panorama für beendet erklärt hatte, ergänzte er, Celal Akan wäre doch sowieso abgeschoben worden. Auf die erstaunte Rückfrage des Redakteurs erwähnte Hoppensack einen Vermerk, den er dann aber nicht finden konnte. Es handele sich um „eine Art Vorabinformation“. Damit meint der Staatsrat wahrscheinlich, daß die Aufenthaltsgestattung des Mannes am 21.7.95 ausgelaufen wäre. Celal Akan aber wäre nicht abgeschoben worden, da sein Asylverfahren noch lief und befristete Aufenthaltsgestattungen die Regel sind. Daß der Yezide noch mindestens zwei Jahre in Deutschland würde bleiben dürfen, hatte Behördenmitarbeiter Werner Klenke seinem Staatsrat schon im Dezember erklärt. Vielleicht hatte es Hoppensack vergessen. Jedenfalls lügt er, wenn im Fernsehen sagte, er habe sich mit der Akte Akan erst einmal beschäftigt.

In einer Pressemitteilung fordern die Grünen einen Untersuchungsausschuß. Der Fraktionsvorstand wird am Montag über einen entsprechenden Antrag beraten, eventull will sich die AFB-Fraktion anschließen. Auch SPD- und CDU-Fraktionen fordern eine „rückhaltlose Aufklärung“ der „organisierten Unverantwortlichkeit“. Senatorin Wischer erklärte, „eine unabhängige Persönlichkeit mit der Untersuchung des Falles“ betrauen zu wollen. Das Sozialressort bereitet eine Pressekonferenz am Montag vor. Währenddessen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Hoppensack. Dora Hartmann