: Ein korrumpierter Entlarver
■ Werner Fuld, Benjamin-Experte und Literaturkritiker der „Woche“, ruiniert seinen Ruf mit infamen Haßkolumnen
Werner Fuld haben wir eine schöne Benjamin-Biographie zu danken, eine Pionierleistung aus der Zwischenzeit, als Benjamin schon nicht mehr von der „materialistischen Literaturtheorie“ vereinnahmt wurde und noch nicht als universale Edelfeder für medienphilosophische und dekonstruktivistische Sprachspiele ausgebeutet wurde. Das Buch wird bleiben.
Wenn Werner Fuld in seinem neuen Betätigungsfeld – der Literaturseite der Woche – allerdings so weitermacht wie in den letzten Monaten, wird man sich bald fragen müssen, was mit jenem Autor passiert ist, den man als Benjaminologen schätzen gelernt hatte. Denn im Feuilleton der Woche tobt sich schäumendes Ressentiment aus. Etwas muß passiert sein.
In der Ausgabe vom letzten Donnerstag wartet Fuld mit einem Enthüllungsartikel auf, der „Freunderlwirtschaft im Kulturbetrieb“ offenzulegen verspricht: „So funktioniert die Korruption im Literaturbetrieb. Nicht Geld ist die treibende Macht, sondern Eitelkeit.“ Schriftsteller und Kritiker – eitel? Welch eine Entdeckung!
Fulds Beispielfall: Der Autor Martin Mosebach wurde in der FAZ bis 1993 stets schlecht besprochen; jüngst aber habe sich die Haltung des Blattes zu Mosebach gewendet, so daß der ehedem als Biedermann gescholtene nun für „urban, sophisticated, subtil“ gelte. Von solchen Kehrtwendungen hat man schon gehört; wo ist der Punkt, an dem die Korruption ins Spiel kommt? „Die Erhellung dieses Mirakels ist einfach: Ein Frankfurter Freund wurde 1994 Literaturchef der FAZ und sorgte kußerfahren dafür, daß der literarische Plattfrosch zum Prinzen mutierte. Fortan ließ Gustav Seibt jedes Produkt des fleißigen Mosebach (...) in der FAZ breit loben.“
Fazit: „Die Literaturpolitik der FAZ ist nicht nur korrupt, sondern von gefährlicher Dummheit.“ Angenommen, an der Sache mit Mosebach wäre etwas dran, so wäre es immer noch lächerlich, daraus die „Literaturpolitik“ der Zeitung zu beurteilen. Aber es geht um etwas anderes. Das Schlüsselwort in dieser Passage ist „kußerfahren“.
Es verweist zurück auf einen Text vom 12. 5. 1995 in der Woche, in dem Werner Fuld die Entscheidung der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung kommentiert, den Büchner-Preis an Durs Grünbein, den Sigmund- Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa an Gustav Seibt, den Johann-Heinrich-Merck-Preis für Essayistik an den FAZ-Kritiker Michael Maar zu vergeben. Auch hier hatte Fuld schon „Korruption“ gerochen, weil Seibt ein Förderer Grünbeins und Maars ist. Grünbeins Talent wollte Fuld zwar nicht anzweifeln, wohl aber die Fähigkeiten von Michael Maar, den er einen „unbekannten Rezensenten“ nennt, der „ein paar unwichtige Kritiken veröffentlicht“ habe – ein groteskes Fehlurteil, das stutzig macht, denn so sehr kann Fulds Geschmack nicht auf den Hund gekommen sein, daß er einen der besten jungen Kritiker verkennt.
Es geht wohl nicht um Maar. Fuld will Seibt treffen, und in seinem Haß ballert er wild auf alles, was sich in dessen Umgebung bewegt. Die in diesem Kommentar auf das eigentliche Haßobjekt losgelassene Salve war von einer im hiesigen Journalismus unbekannten Niederträchtigkeit. Daß bis heute niemand darauf reagiert hat, kann man sich nur als peinliches Schweigen oder mit der publizistischen Randständigkeit der Woche erklären: „Weil sein Stuhl neuerdings bedenklich wackelt, erzählt er [Seibt, d. R.] jedem, er sei bei der prüden FAZ nicht mehr sicher, seit er sich als Homosexueller geoutet habe. Dabei interessiert Seibts Privatleben überhaupt niemanden ...“ Werner Fuld interessierte es immerhin genug, um seine infame kleine Kolumne damit zu würzen. Er hatte das Vergnügen, Seibt zu outen und ihn außerdem als Schwulen der widerwärtigen Sorte darzustellen, der seinen Minderheitenstatus ins Feld führt, sobald er wegen fachlicher Inkompetenz in Beschuß gerät.
Was ist bloß passiert, daß Fuld sich nicht scheut, den Rest seines Rufs mit Haßkolumnen zu ruinieren? Es wird doch wohl nicht alles daher rühren, daß Gustav Seibt kürzlich Fulds Vertrag mit der FAZ gekündigt hat? Jörg Lau
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