Carlsson bald vom Dach

■ Schwedens Ministerpräsident kündigt überraschend seinen Rücktritt an

Stockholm (taz) – Nach nicht einmal einem Jahr im Amt hat Ingvar Carlsson gestern überraschend angekündigt, er werde im März nächsten Jahres den Vorsitz seiner sozialdemokratischen Partei und das Ministerpräsidentenamt abgeben. Begründung: Mit sechzig Jahren sei er jetzt im Rentenalter.

Die Rücktrittsankündigung Carlssons – nie ein Vollblutpolitiker, sondern eher aus Pflichtbewußtsein im Amt, solange seine Partei keinen „Besseren“ hatte –, kam mitten im Wahlkampf für die am 17. September stattfindende Wahl zum EU-Parlament. Da Carlsson gestern mehrfach hervorhob, wie sehr er an das Positive eines EU-Beitritts geglaubt habe und noch glaube, wurde vor allem hier nach seinen Rücktrittsgründen geforscht: Die Schweden sind eurofrustriert, und seine Partei geht mit zwei getrennten Listen zur Wahl, einer Ja- und einer Neinliste. Dagegen hatte Carlsson vergeblich gekämpft.

Spekuliert wurde aber auch in eine andere Richtung. Einen Tag zuvor hatte Parteifreund Kjell- Olof Feldt, frühere Nummer zwei in Staat und Partei, öffentlich dazu aufgefordert, die „Polizeispur“ im Palme-Mord aufzurollen. Die These, daß Carlssons Vorgänger von der eigenen Sicherheitspolizei ermordet wurde und alles getan werde, dies zu verschleiern, erhielt damit provokative politische Unterstützung. Mona Sahlin, Gleichstellungsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin, gilt als erfolgreichste Nachfolgekandidatin Carlssons. Reinhard Wolff