Goldgräber beim Öko-Audit

Briten dürfen jetzt Umweltmanagement deutscher Firmen prüfen / Deutsche Gutachter kommen wegen lahmer Gesetzgebung nicht zu Potte  ■ Von Julia Seidl

Berlin (taz) – Der Startschuß für Umwelt-Audits in Deutschland ist gefallen, und keiner hat es gehört. Diese Woche erhielt die deutsche Niederlasssung der englischen Lloyd's Register (LR) ihre Notifizierung als Umweltgutachter von der IHK Bayern. Damit können sie als erste Umweltgutachter in Deutschland ihre Arbeit aufnehmen. Die deutschen Bewerber dagegen müssen noch warten und zusehen, wie das englische Unternehmen auf dem deutschen Umwelt- Audit-Markt aktiv wird.

„Goldgräberstimmung“ sei angesagt, berichtet Renate Alijah, Umweltexpertin bei Lloyd's Register. Markus Racke von der für die Zulassung der Gutachter zuständigen Deutschen Akkreditierungs- und Umweltgutachterzulassungsgesellschaft (DAU) wird fast poetisch: „Die scharren alle mit den Hufen.“ Kein Wunder, denn der deutsche Markt wird auf ungefähr 500 Millionen Mark jährlich geschätzt. Bis zu 20.000 Betriebe wollen ein Umweltgutachten erstellen lassen, mehrere hundert Arbeitsplätze sollen in dem neuen Branchenzweig in den nächsten Jahren entstehen.

Die Meldung über die Notifizierung der englischen LR sorgte allerdings für lange Gesichter. „Unsere Gesetzgebung war einfach zu langsam“, beklagt Michael Schott vom TÜV Rheinland. In Großbritannien wurden bereits im Juli 1995 die ersten Umweltgutachter akkreditiert, darunter auch Lloyd's Register. Angefangen hat alles im Juli 1993, als die EU eine europaweit verbindliche Ordnung zur Umweltbetriebsprüfung verabschiedete. Das Umweltaudit – das englische Wort „audit“ wird mit „Betriebsprüfung“ übersetzt – sollte innerhalb von 21 Monaten in den jeweiligen Mitgliedstaaten der EG umgesetzt werden. Ziel ist das „transparente“ Unternehmen, dessen Umweltengagement von externen Umweltgutachtern geprüft wird. Die Teilnahme am Umwelt-Audit bleibt für die Firmen freiwillig. Prüfungspunkte sind:

– Umweltpolitik und Umweltprogramme

– das Funktionieren des Umweltmanagementsystems

– die Eignung der Verfahren bei der internen Umweltprüfung

– die Inhalte der Umwelterklärung.

Die geprüften Unternehmen bekommen nach dem Umwelt-Audit zwar kein Label, das sie auf ihre Ware kleben können, dafür können sie mit dem EU-Zertifikat auf Briefbögen, Firmenschildern, Broschüren usw. werben. Neben dem PR-Effekt winken auch bessere Konditionen bei Versicherungen und Krediten.

Bei der Umsetzung der EU- Verordnung entbrannte in Deutschland schnell ein Grabenkrieg zwischen Bundesumweltministerium, Umweltschutzverbänden und Vertretern der Industrie. Nach langem Hin und Her verabschiedete der Bundestag im April 1995 das entsprechende Gesetz, das im Bundesrat noch einmal gekippt wurde. Im September soll es modifiziert über die Bühne gehen.

Voraus gingen lange Diskussionen, welche Institution überhaupt die Prüfung für die Umweltgutachter durchführen dürfen. Frühere Planungen, das Procedere beim Umweltbundesamt anzusiedeln, scheiterten am Widerstand der Industrie. So einigte man sich auf einen faden Kompromiß: Die DAU bekommt das Prüfmonopol, allein kontrolliert durch den Umweltgutachterausschuß (UGA). In ihm sitzen Vertreter von Wirtschaft, Umweltverwaltungen, Gewerkschaften und Umweltverbänden. „Ein Modell mit Macken“, findet Ludwig Glatzner, der im UGA den Bund Naturschutz vertritt. „Wir haben schon Probleme, unsere Fahrkosten zu finanzieren“, berichtet er, „während die Leute aus der Wirtschaft für solche Arbeiten freigestellt werden und hohe Gehälter bekommen.“ Mit der Qualität des Umweltgutachters aber steht und fällt die Bedeutung von Umwelt-Audits. In einer 90minütigen mündlichen Prüfung werden die ausgewählten Bewerber über Umweltmanagementsysteme, Methodik und Durchführung der Umweltbetriebsprüfung, Umweltrecht, Verwaltungsvorschriften und Normen des betrieblichen Umweltschutzes befragt. Gutachterfirmen treten zusammen an, die Prüfungslänge addiert sich je nach Anzahl der Personen. Die Anwärter entscheiden sich zusätzlich für die gewerblichen Bereiche, für die sie zugelassen werden wollen. Die Prüfungsgebühr beträgt bei Einzelpersonen satte 10.000 Mark, für Organisationen – je nach Umfang – etwa 50.000 Mark.

Daß 90 Minuten Prüfung ausreichend sind, bezweifeln Kritiker der Prüfungsordnung wie das Institut der Umweltgutachter und -berater (IdU) und der Bund Naturschutz. Zuversicht dagegen beim DAU: „Wir werden schnell feststellen, ob einer etwas weiß oder ob er nur heiße Luft rausläßt“, verkündet DAU-Geschäftsführer Racke siegessicher. Bis jetzt haben sich bei ihm 90 Einzelpersonen und Unternehmen für die Prüfung angemeldet. „In den nächsten drei Jahren erwarten wir etwa 450 Prüflinge“, heißt es aus der DAU.

Obwohl es in Deutschland noch keine zugelassenen Umweltgutachter gibt, ist bereits ein vehementer Preiskampf entbrannt. Wolf-Eberhard Schiegl, Leiter des Umweltreferats der Siemens AG, haben schon mehrere potentielle Gutachter angerufen. „Es gibt Preisdifferenzen von über 100 Prozent bei den Angeboten“, berichtet der firmeninterene Umweltexperte. Die Gefahr ist offensichtlich, für wenig Geld ein „Öko- Audit light“.