■ Schöner Leben
: Vorwärts mit der Spaß-Guerilla

Ein Held ist lobzuhudeln. Kommt ja nicht allzu oft vor in unsrer desillusionierten Zeit, daß man sich mal so richtig voll und ganz hinter einen, rsp. eine, stellen kann. Was sind wir schon enttäuscht worden, wenn sich die Helden, rsp. Heldinnen, hinterher als ziemliche Arschnasen, Schlächter, Kniffies, korrupte Typen, Unsympathen usw. rausgestellt haben, rsp. -innen. Ich sage nur Mao, Paul Breitner, Björn Engholm, sie wissen schon. Jetzt aber, endlich, haben wir wieder einen: Mario Basler.

Daß der Mann genialische Züge hat, das wußten wir schon. Nur leiderleider, bislang mußte man den Eindruck haben, daß sich sämtliche Genialität rechtsseitig knieabwärts konzentriert hatte. Halsaufwärts: Ein verquargeltes Gemisch aus brunzdummen Eitelkeiten, mußte man den Eindruck haben. Für den Fan hieß das: Hingucken und genießen, wenn der Mann den Ball ins Lattenkreuz schnibbelt; auf den eigenen Ganzkörperkrampf vorbereitet sein, wenn der Mann den Mund aufmacht, wegen der Peinlichkeit.

Seit diesem Wochenende ist alles anders. Da hat sich Super Mario endlich, endlich als das Rundumgenie erwiesen, auf das wir Heldendürstigen so sehnsüchtig gewartet haben. Nach dem Spiel gegen den HSV hat er nämlich dem NDR in die Kamera gesagt, daß er definitiv zum Saisonende Werder verlassen würde. Ein echter Knaller, die versammelte Sportjournaille ist an die Telefone geflitzt und hat stundenlang Werder-Manager Willi Lemke terrorisiert. Der konnte (an seinem Geburtstagsmorgen, dumm gelaufen) gar nicht so schnell dementieren, wie der Apparat geklingelt hat. Die Auflösung der Geschichte: Schon im Mannschaftsbus hat sich Basler kaputtgelacht, wie er die Medien verscheißert hat. Die hatten ihm nachrichtengeil das Mikro unter die Nase gehalten, weil da schwallen immer ein paar starke Sprüche raus. Und weil er gerade keine echten auf Lager hatte, hat er sich halt einen ausgedacht. War nämlich gar nichts dran an der Geschichte.

Und nun sitzt die Sportjournaille in den Redaktionsstuben und Studios und nimmt übel. Also sowas, Frechheit das, was der sich da rausgenommen hat. Die deutsche presseagentur ist besorgt: „Der Bremer Profi muß sich allerdings fragen lassen, ob er in Zukunft noch ernst genommen werden will“. Und Ran-Chef Reinhold Beckmann von SAT 1 fällt gar der Grinsomat aus, was sonst nie passiert. Er wirft die Stirn in Falten und findet den Vorgang ganzganz ungehörig und irgendwie schädlich für den Fußball, der in solchen Zusammenhängen gerne als „deutscher Fußball“ bezeichnet wird. „Deutscher Fußball“, der darf gerne ein bissel beschränkt sein, so lange die Sekundärtugenden noch Gültigkeit haben. Soll heißen: Basler ist ab sofort und bis auf weiteres in diesem Sinne undeutsch.

Wenn das kein Grund ist, Mario Basler in den Olymp aufzunehmen! Die lautesten Flachdenker, die Meister des Nullinterviews, die Kommentatoren im permanenten Witzkrampf, die mit feuchten Händen jedem noch so beknackten Gesprächspartner hinterherhecheln, damit der dann Sätze wie „Jagut, der Lodar, der is ja ein Weltklassemann, der kann ja rechts wie links, der is ja ein Gewinn für jede Mannschaft usw. usf.“ absondern kann – daß die endlich mal in ihrer verschwitzten Geilheit auf die Fresse gefallen sind, das ist schon eine Lobhudelei wert. (Und unsereins als Gelegenheits-Fußballschreiber hat obendrein auch noch was gelernt. Danke auch dafür!) Wir können Super-Mario nur zurufen: Weiter so, vorwärts mit der Spaß-Guerilla, schlag sie (uns) mit ihren eigenen Waffen. Und wir werden Dir jede Beklopptheit fortan gerne nachsehen.

In tiefer Zuneigung

Jochen Grabler