Eingreifen oder nicht?

■ betr.: „Uns steht kein Fluchtweg offen“, taz v. 11. 8. 95

Ralph Giordano spricht in seinem Artikel von der Erosion nachbarlichen Vertrauens, sich entwickelnd durch die andauernde Enthaltung militärischer Eingriffe zur Beendigung des Krieges. Mit keinem Wort spricht er hingegen das Problem der Waffenexporte an, das bisher von keiner Regierung real gelöst werden konnte oder wollte. Dies scheint mir viel eher geeignet, das nachbarliche Vertrauen in Frage zu stellen, als die sehr richtig beschriebene Furcht der Deutschen vor militärischen Mitteln. Doch diese Furcht läßt sich neben dem historischen Aspekt ebenso mit dem begründeten Bedenken erklären, für die von Krieg gequälten Menschen eine Eskalation zu erzeugen. Und auch wenn die geschichtliche Stigmatisierung der Deutschen die antimilitärische Haltung vorherrschend beeinflußte, sehe ich doch den großen Vorteil darin, daß die Schwelle zur bewaffneten Intervention scheinbar deutlich niedriger ist als bei anderen Staaten. Gruß Jessica Heller

50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs befindet sich Deutschland wieder im Normalzustand. Nach den Medizinern in Kambodscha, den Minensuchern im Golf und den Soldaten in Somalia sind jetzt auch Tornados auf dem Balkan stationiert. Sie sind dort sogar erwünscht, wie uns das Fernsehen zeigt, am kroatischen Strand, erst werden badende Frauen eingeblendet und dann unsere Schumis und Herrlichs. Selbst die ehemalige Linke ist sich einig: von Fischer über Giordano bis Habermas. Eingegriffen soll werden, wie auch immer. Von Tornados gegen die Kroaten spricht allerdings keiner, obwohl sie im gleichen Maße Flüchtlinge produzieren wie die Serben, wie alle „die“, die in diesem Krieg am Werke sind.

Wenn Giordano behauptet: „Die Statistenrolle, die dem Wirtschaftsriesen Deutschland so lange im Schatten der Weltpolitik zukam, die es genoß und von der wir auch beschützt wurden, diese Idylle wird nicht länger aufrechtzuerhalten sein“, dann frage ich mich noch immer: Warum? Und: Was war das für eine Statistenrolle mit Pershings und SS-20 in Ost- und Westdeutschland, was für eine gespenstische Idylle, und was hat das mit der wirtschaftlichen Größe des wiedervereinigten Kohldeutschland zu tun? [...]

Ich habe kein Vertrauen in die deutsche Armee, genauso wenig wie in die deutsche Polizei, tut mir leid. Und wie schwer es ihnen allen fällt, sich für ein Eingreifen auszusprechen, damit vergewissern sie sich der Ethik. Die aber, die sich dagegen aussprechen, sind mitschuldig an der Barbarei. [...]

Mitleid ist noch lange kein Grund, der Dummheit und der CDU anheimzufallen. Langsam verstehe ich Petra Kelly. Es gibt eben nur einen „gerechten“ Krieg: den gegen die Hersteller der Waffen! Mit sehr besorgten Grüßen Stefan Wirner

Es sind die normalen Leute, die erreicht werden müssen. Keine Schriftsteller und Intellektuellen in erster Linie.

Was in Ex-Jugoslawien, teilweise durch die Medien, geschieht, ist eine Romantisierung der ethnischen Verhältnisse vor dem aktuellen Balkankonflikt. Aber schon zu Zeiten Titos waren die Konflikte latent. Würde endlich daran gedacht, den Balkankonflikt europäisch zu lösen, wäre die nationale Frage in der Form deutscher Beteiligung obsolet. Die auch davon ablenkt, daß Bomben den Haß und den Konflikt nicht treffen können. [...] Andreas Urstadt