■ Nebensachen aus Rom
: Sommerliche Invasion von Kulturbanausen

Signora Marisa vom Fremdenverkehrsamt Rom ist Kummer gewöhnt: „Touristen, die ihr Hotel nicht finden; Reisende, die mit den Wechselkursen nicht zurechtkommen, Gäste, die uns unbedingt als Zeugen wollen, wenn sie sich beim Zimmerservice beschweren“ – all das ist für sie Routine. Aber „was wir in diesem Jahr erleben“, wundert sie sich, „ist so unerfüllbar, daß wir nur mit den Achseln zucken können“.

Als eine „wahre Invasion von Kulturbanausen, auf Italien losgelassen“ schilderte es ein Mitarbeiter des italienischen Fremdenverkehrsverbandes im staatlichen Rundfunk RAI: „Da stürzen in Rom Touristen ins Büro und beschweren sich, daß der Schiefe Turm gar nicht in Rom steht, suchen nach den Drei Zinnen, die bekanntlich in den Dolomiten aufragen, oder fragen nach einem Audienztermin bei Papst Pius XII.“ Der Hinweis, daß der seit 1958 im Grabe ruht, schafft keineswegs Ruhe, sondern sorgt für ausgiebiges Geschimpfe über die veralteten Reiseführer.

„Am Anfang dachten wir, heute seien eben besonders viele Spaßvögel unterwegs“, sagt ein Mitarbeiter des neapolitanischen Fremdenverkehrsamtes, „aber die meinten es bitterernst.“ In Rom bestand ein australischer Tourist darauf, den Parthenon zu sehen – vergebens der auch mit Hilfe einer britischen Enzyklopädie belegte Einwand, der stehe in Athen. In Latina verlangte eine Reisegruppe nach der Hagia Sophia, die man viertausend Kilometer entfernt in Istanbul findet.

Auch andere Unklarheiten sind kaum zu beseitigen: Ein Tourist bestand darauf, seine Dollars nicht in Lire, sondern in „sizilianische Währung“ umzutauschen – er habe gelesen, daß Sizilien seit vielen Jahrzehnten selbständig sei. Und ein japanisches Paar wollte unbedingt „Tangentopoli“ sehen, von dem man in den Zeitungen immer lese – nur schwer war ihm klarzumachen, daß es sich hier um eine Volksmund-Bezeichnung für das Korruptionssystem handle, übersetzt etwa: „Schmiergeldrepublik“.

Angesichts immer häufigerer entnervter Anrufe der Fremdenverkehrs-Betreuer bei ihren Zentralstellen erwägt man dort nun, ein Anti-Streß-Programm und Schulungen zum Beantworten solcher Anliegen durchzuführen. Tatsächlich haben in einzelnen Fällen ironisch hingenuschelte Hinweise böse Folgen gehabt. Wie etwa im Falle eines dänischen Urlaubers, den ein entnervter Fremdenauskünftler kurzerhand in den Superschnellzug (ohne Zwischenhalt) nach Mailand setzte, weil dieser dreimal zurückgekommen war und sagte, er habe die „Scala“ noch immer nicht gefunden – wie das Protestschreiben seiner Botschaft hervorhob, hatte er gar nicht das Mailänder Opernhaus gesucht, sondern die Scala di Spagna, die Spanische Treppe. Und die befindet sich nur ein paar Schritte neben dem Informationsbüro, in dem er nachgefragt hatte. Werner Raith