Schwul gleich kriminell

Zwei Münchner Polizisten haben in Ausländer-Pässe den Vermerk „Homo-Szene“ eingetragen  ■ Von Felix Berth

München (taz) – Zwei Polen und ein Rumäne, alle drei unter 25 Jahre alt, tragen seit gut einer Woche einen besonderen Vermerk in ihren Reisepässen: „Homo-Strich“ steht im Paß des einen, „Homo- Szene“ in den Pässen der beiden anderen. Die Einträge stammen von zwei Münchner Polizisten. Neben ihre Namen Kößler und Kremmin haben die beiden Beamten gleich noch ihren Dienstgrad gesetzt: POM, Polizeiobermeister. Der eine, POM Kößler, gibt allen, die den rumänischen Paß in Zukunft in die Hand nehmen, noch ein paar zusätzliche Informationen: „kontrolliert am 11. 08. 95, 23.40 Uhr in München, Utzschneiderstraße (Homostrich)“.

Daß ein solcher Paß-Eintrag bei der Rückreise in das äußerst schwulenfeindliche Rumänien erhebliche Schwierigkeiten machen würde, dürfte auch POM Kößler klar gewesen sein. Daß der Eintrag illegal war, müßte er ebenfalls wissen — zumindest gibt es bei der Münchner Polizei die Dienstanweisung, daß handschriftliche Eintragungen in Pässe verboten sind. Warum POM Kößler trotzdem einen Mann als Strichjungen abstempelte, ist selbst dem Sprecher der Münchner Polizei nicht klar (siehe Interview) — und noch sind POM Kößler und POM Kremmin in Urlaub. Vielleicht war es einfach die Wut der Polizisten, daß sie den Männern bei ihren Kontrollen im Szeneviertel um den Münchner Gärtnerplatz keine Straftat nachweisen konnten.

Nach Angaben der Rosa Liste haben die Beamten der Polizeiinspektion Altstadt in der ersten Augustwoche mindestens sechs solcher Eintragungen gemacht. Drei davon wurden jetzt der Polizei übergeben. Noch hofft man dort, daß es sich um zwei einzelne durchgedrehte Beamte handelt, die nur ein paarmal die illegalen Vermerke in Pässe geschrieben haben.

Doch für die Münchner Rosa Liste zeigt sich an diesem besonders krassen Einzelfall nur, wie schwulenfeindlich die Polizisten in München sind: „Für viele von denen gilt eine simple Rechnung: Schwul gleich Strich gleich kriminell“, sagt Thomas Niederbühl von der Rosa Liste. Sicher seien die beiden Polizisten Extremfälle, doch „diese Vorfälle passen zur Strategie der Münchner Polizei“.

So sei es in München üblich, daß Polizisten in Zivilkleidung auf öffentlichen Toiletten für „Ruhe und Ordnung“ sorgten. „Wenn zwei Männer auf einer Klappe mit dem Sex anfangen, tobt oft sofort ein Polizist herum. Ihre Personalien werden aufgenommen. Eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch folgt“, sagt Niederbühl. Ein Schwulenbeauftragter der Polizei, wie in anderen Großstädten längst üblich, werde in München immer noch abgelehnt. Auch die Ausbildung der Polizisten klammere das Thema Homosexualität aus. „Dabei zeigt der aktuelle Fall, wie nötig diese Maßnahmen wären.“