Spätfolgen eines doppelten Senators

■ Heute berät der Senat über die Förderung der umstrittenen Klinik für minimal invasive Chirurgie. Gesundheitsstaatssekretär Orwat hat das Projekt eingefädelt, sein Senator Luther ist dagegen

Wenn der Senat heute über die geplante private Klinik für minimal invasive Chirurgie (MIC) berät, ist die Gefechtslage verworren und der Ausgang ungewiß: Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) und Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) sind dagegen, weil sie die Klinik nicht für bedarfsgerecht halten. Dafür ist Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD), der mit dem Zentrum den Technologiestandort Berlin stärken will. Selbst Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) will die 29 Millionen Mark öffentliche Förderung für die Spezialklinik in Spandau-Havelhöhe lockermachen.

Schuld an der chaotischen Lage ist die Doppelherrschaft im Hause von Gesundheitssenator Luther: eingefädelt hat das Projekt der heimliche Gesundheitssenator, Staatssekretär Detlev Orwat. Die Klinik ist seit Juni vergangenen Jahres im Krankenhausplan festgeschrieben und hat damit einen Rechtsanspruch auf öffentliche Förderung. Doch dann verweigerte Gesundheitssenator Luther in letzter Minute der Förderung überraschend seine Zustimmung. Er ist sich mit anderen Kritikern einig, daß ein derartiges Pilotprojekt nicht mehr sinnvoll ist.

Denn Luther hält die Spezialklinik mit drei OP-Sälen nicht mehr für bedarfsgerecht. Schließlich gebe es seit 1992 ein MIC-Zentrum am Krankenhaus Moabit. Auch an den Unikliniken sowie an 60 weiteren Berliner Krankenhäusern komme die Methode zum Einsatz.

Dem Gesundheitssenator sitzen offenbar die Chirurgen an den anderen Berliner Krankenhäusern im Nacken. Sie befürchten, daß ihnen das MIC-Zentrum vor allem die lukrativen Privatpatienten abspenstig machen wird.

Die Klinik, die auch Kassenpatienten behandeln soll, wird sich auf minimal invasive Chirurgie spezialisieren. Bei dieser relativ neuen Methode führen Chirurgen ihre Instrumente und eine winzige Kamera über Schläuche in den Körper ein und verfolgen ihre Schnitte am Bildschirm. MIC wird vor allem bei Eingriffen am Knie, an der Galle und am Blinddarm eingesetzt und ist schonender für die Patienten. Sie können das Krankenhaus früher verlassen als herkömmlich Operierte. Weil die Krankenkassen damit Kosten sparen, befürworten sie die Einrichtung der Spezialklinik.

Die Gesellschafter des Projektes, die Ärztin und Geschäftsführerin Ingeborg Schwenger-Holst und der Chirurg Abri, verstehen ihre 20-Betten-Klinik auch als Alternative zum herkömmlichen Krankenhausbetrieb. Auf die Bedürfnisse der Patienten soll mehr eingegangen werden. „Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, wo der Patient als Person respektiert wird“, sagt Schwenger-Holst.

Sieben Millionen Mark wollen die Gesellschafter in das Grundstück in Havelhöhe stecken. In den nächsten Jahren wollen sie weitere fünf bis zehn Millionen Mark investieren. Ursprünglich sollte das Projekt rein privat finanziert werden, doch dann drängte die Senatsverwaltung für Gesundheit geradezu darauf, das Projekt mit öffentlichen Geldern zu fördern. Von dem MIC-Zentrum verspricht man sich unter anderem eine Kostenersparnis für die Krankenkassen. Die liegen der Senatsverwaltung seit Jahren in den Ohren, daß die Krankenhauskosten in Berlin zu hoch seien.

Doch Kritiker des Projektes halten die 29 Millionen Mark aus dem Berliner Haushalt für überdimensioniert. „Im ungünstigsten Fall entstehen öffentlich geförderte Überkapazitäten“, warnt der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Bernd Köppl, in einem Brief an Eberhard Diepgen. Die Folgewirkungen für die Berliner Krankenhäuser seien nicht untersucht worden.

Derzeit werden in Berlin jährlich 8.400 mikroinvasive Operationen durchgeführt. Das neue MIC- Zentrum wird eine zusätzliche Kapazität von 4.500 bis 6.000 Eingriffen haben. Um seine beiden OP- Säle zu füllen, müßte die MIC-Klinik entweder den Krankenhäusern der Stadt Patienten wegnehmen oder aber Patienten operieren, die nicht zwingend operiert werden müssen, befürchtet der bündnisgrüne Gesundheitspolitiker.

Köppl kritisiert auch, daß der Gesundheitsausschuß nicht über Einzelheiten des Vorhabens unterrichtet worden ist. Bis heute liege keine Senatsvorlage vor.

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Hans-Peter Seitz (SPD), glaubt dagegen nicht, daß das MIC-Zentrum den anderen Krankenhäusern „das Wasser abgraben“ könnte. „Die Zahl der minimal invasiven Eingriffe wird zunehmen“, so Seitz.

Ärztekammerpräsident Ellis Huber spricht sich grundsätzlich gegen öffentliche Subventionen für ein privatwirtschaftlich geführtes MIC-Zentrum aus, „weil das eine PR-Agentur für die interessierte Industrie ist“. Das geplante Krankenhaus könne so kostengünstig planen, weil es „so einen Subventions-Dschungel gibt“. Huber plädiert für ein Zentrum in öffentlicher Trägerschaft. Dorothee Winden