Zulauf trotz Verbots

■ Die rechtsextreme „Nationalistische Front“ soll viele neue Mitglieder haben

Bonn (taz) – Die im November 1992 verbotene rechtsextreme „Nationalistische Front“ (NF) ist weiterhin aktiv und hat jetzt sogar mehr Mitglieder als zum Zeitpunkt ihres Verbots. Dies erklärte gestern die bündnisgrüne Abgeordnete Annelie Buntenbach. Sie stützt sich dabei auf Material, das ihr zugespielt worden ist und offenbar aus dem Besitz des NF-Anführers Meinolf Schönborn stammt.

Buntenbach wirft Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) vor, „bewußt eine der größten und einflußreichsten Organisationen des militanten Rechtsextremismus zu ignorieren“. Es sei „eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit“, wenn die Bundesregierung behaupte, die Organisationsstruktur der NF „zerschlagen“ zu haben.

Die grüne Politikerin forderte, daß auch Vorfeld- und Nachfolgeorganisationen der NF wie zum Beispiel der „Förderkreis Junges Deutschland“ (FJD) verboten werden. Auch das NF-Bundeszentrum in Pivitsheide bei Detmold müsse geschlossen werden. Dort träfen sich immer noch regelmäßig 20 bis 200 Neonazis. Nach den Erkenntnissen von Buntenbach gehören heute zum engeren Umfeld Schönborns rund 830 Aktivisten und Unterstützer. Rund 9.000 zählten zu den Sympathisanten. Der Einfluß der NF auf Jugendszenen sei mittlerweile größer als der anderer Organisationen des rechten Spektrums, sagte Buntenbach.

Hinter der vom Verfassungsschutz beklagten Zersplitterung und Unübersichtlichkeit der Rechtsextremisten stecke in Wirklichkeit ein straff organisiertes System mit militärischer Führung, sagte Buntenbach. In dem NF- Bundeszentrum bei Pivitsheide bestehe auch der Schönborn-Verlag als Haitabu-Versand weiter. Der Versand beliefert von Dänemark aus die rechtsextreme Szene in Deutschland mit Schriften, T-Shirts und anderem Material.

Das Bundesinnenministerium wies die Kritik der Grünen zurück. Zutändig für den Vollzug des Verbots seien die Länder. Die genannten Zahlen über Sympathisanten und Aktivisten seien nicht nachvollziehbar. Karin Nink