Hamburger statt Kurzwaren

Die Genossenschaft der hundertjährigen Markthalle am Alex hat Konkurs angemeldet. Der Konsumtempel wird von Kunden nicht geschätzt  ■ Von Ole Schulz

Die 1886 gegründete Markthalle am Alexanderplatz steckt in Schwierigkeiten. Nach der aufwendigen Neugestaltung zu einem gläsernen Konsumtempel für 54 Millionen Mark vor zwei Jahren blieben viele Stammkunden aus. Im August hat schließlich der Hauptmieter, die 1990 von 23 kleinen Händlern gegründete „Genossenschaft privater Gewerbetreibender“, Konkurs angemeldet.

Die Markthalle sei aber nicht pleite, erklärte gestern Manfred Schönebeck von der Werbegemeinschaft der Markthalle. Lediglich eine „abgenutzte Organisationsform“, nämlich die Firmierung der Einzelhändler als Genossenschaft, habe abgedankt. Die Genossenschaft hatte die Halle von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) angemietet und die Ladenflächen dann weitervermietet – vor allem an Filialen größerer Handelsketten wie Benetton oder Hussel.

Dadurch sei viel von dem Flair verlorengegangen, beschwert sich der 71jährige Alfred Kroll, der die Markthalle schon in den dreißiger Jahren mit seinen Eltern besucht hat. „Früher hat man hier alles bekommen, von Kurzwaren bis Pantoffeln. Heute gibt's nicht einmal mehr Geflügel, aber dafür McDonald's. Die sind doch in einer richtigen Markthalle völlig deplaziert“, meint Kroll.

Die verbliebenen selbständigen Händler verteidigen die Arbeit der Genossenschaft. „Es war schon sehr ungewöhnlich, daß die kleinen Händler der Genossenschaft an große Firmen untervermietet haben“, sagt Barbara Reich, Vorstandsmitglied der Genossenschaft. Die Geschäftstreibenden hätten unter dem Schutz der Genossenschaft gelebt: „Wir hatten einen Generalmietvertrag zu günstigen Konditionen mit der WBM ausgehandelt, der auch eine zehnjährige Mietpreisbindung beinhaltete“, so die Gemüsehändlerin Reich.

Dennoch ist die Mietbelastung von durchschnittlich sechzig Mark pro Quadratmeter für einige zu hoch. Ein Käsehändler mußte seinen Stand wegen Mietschulden breits räumen. „Unser Problem war, daß wir als Genossenschaft nicht genügend materiellen Rückhalt hatten, um einem Kollegen auch mal ein paar Monate auszuhelfen“, meint Frau Reich.

Die Händler hoffen, daß sich nicht viel ändern wird. „Eine Verwaltung geht, eine andere kommt“, meint Frau Reich. Denn die WBM will jetzt als Hauseigentümerin die Verwaltung übernehmen und neue Mietverträge aushandeln. Die Geschäftsleute setzen darauf, daß die WBM ihr Versprechen hält, die Mieten bis zum 31. Dezember 1996 einzufrieren. Dagegen berührt der Genossenschaftskonkurs die Filialbetriebe anscheinend gar nicht. Sie beschweren sich vielmehr über die Berichterstattung der Medien: „Die Kunden kommen und fragen, ob wir Konkursmasse verkaufen. Das ist doch erniedrigend“, findet die Geschäftsführerin der New- Collection-Filiale.