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Der deutsche Däne ist wieder zu Haus

Der Trainer Sepp Piontek strebt mit Aalborg AB heute in die Champions League  ■ Von Jan Feddersen

Tief zieht der Mann an seiner Pfeife, bläst den Rauch durch die Nase direkt in die Telefonmuschel und sagt: „Uns ist ganz egal, gegen wen wir spielen würden. Erst mal müssen wir am Mittwoch mit zwei Toren gewinnen.“ Sepp Piontek (55) gibt sich ruhig vor dem Qualifikationsrückspiel für die Champions League. Dinamo Kiew heißt heute abend der Gegner. Der dänische Meister Aalborg AB hatte vor zwei Wochen beim ukrainischen mit 0:1 verloren, „unglücklich durch einen zweifelhaften Elfmeter“, wie Piontek nicht zu erwähnen vergißt.

Seit 1. Juli gibt der gebürtige Breslauer im nordjütländischen Aalborg den Übungsleiter. Erstmals in der 110 Jahre langen Vereinsgeschichte war im Frühsommer der nationale Titel gewonnen: „Eigentlich war das ja erst für die nächste Saison geplant“, sagt der Piontek – mit ihm. Nun muß er auf die Arbeit seines Vorgängers Paul Erik Andreasen aufbauen: „Das ist ja nicht so schwierig. Mein Beitrag wird wohl sein, daß die Mannschaft sich nach dem Erfolg nicht hängen läßt und international nicht wieder scheitert.“ So wie 1993, als Aalborg gleich in der ersten Europapokalrunde gegen den spanischen Klub Deportivo La Coruña verlor.

Eigentlich hatte Piontek sich 1990 geschworen, nicht mehr in Dänemark zu arbeiten. 1979 war er in das Land gekommen, dessen Sprache er nach Auskunft von Dänen inzwischen dänischer spricht als die gebürtigen Einheimischen selbst.

Damals hatte er eine solide Bundesligakarriere bei Werder Bremen (Pokalsieg, Meistertitel, ein halbes Dutzend Länderspiele) hinter sich gebracht, eine zweijährige Trainerstation auf Haiti und eine Saison beim FC St. Pauli. Doch als er vom dänischen Fußballverband das Angebot bekam, dort eine Nationalmannschaft aufzubauen, griff er zu: Wenn schon dilettieren, dann lieber in Dänemark und nicht am Millerntor.

Das dänische Nationalteam löste damals ähnliche Furcht in Europas Fußballszene aus wie Albanien oder Malta: von „Danish Dynamite“ noch keine Spur. 1983 war Piontek aber bereits auf dem Weg, Königin Margarethe in der Popularität seiner neuen Landsleute zu überholen – da nämlich kam seine Mannschaft ins EM-Halbfinale. Pionteks Erfolgsstrategie: Alle dänischen Spieler, die bei ausländischen Vereinen unter Vertrag stehen, müssen dafür gewonnen werden, einen Teil ihrer Energie auch für die Nationalelf einzusetzen.

Bei der WM 1986 in Mexiko gewannen die Dänen vor allem die Sympathien aller Fußballästheten. Piontek setzte auf eine Art Hurra- Fußball: „Spaß haben, Tore schießen, immer stürmen, auch auf die Gefahr hin, selber welche zu kassieren.“ Bei der EM 1988 ging diese Strategie zwar daneben, doch das konnte des Deutschen Ansehen nicht beschädigen. 1983 wurde er als „erster Däne“ (Politiken) vom Magazin World Soccer zum Trainer des Jahres gewählt, ein Jahr darauf folgte die Wahl zum „Dänen des Jahres“, 1990 befand man ihn für würdig, den „Lebensfreude-Preis“ entgegennehmen zu dürfen. Umfragen zufolge gilt der Sohn eines Flüchtlings aus Schlesien beim dänischen Fußballnachwuchs als Däne par excellence, was Piontek vom Image her unterstützt, nicht zuletzt durch seine stets scheitellos in die Stirn gekämmten Haare.

Pionteks Saat ging „mit viel Glück“ erst 1992 auf. Da schaffte die Mannschaft, die inzwischen von Pionteks Nachfolger Richard Möller-Nielsen betreut wurde, den Durchmarsch zum Titel – nach Siegen gegen Holland und Deutschland. Piontek war derweil in die Türkei gegangen, später nach Saudi- Arabien: „Es war mir in Dänemark auch zuviel – kein Schritt mehr auf die Straße, ohne gefeiert zu werden, das kann schon erdrücken.“ Daß die Türkei gute Chancen hat, die EM-Endrunde im kommenden Jahr in England zu erreichen, heftet er sich an die Brust. „Jetzt gibt es da nicht nur Stars, sondern auch Spieler, die für eine Mannschaft spielen.“

Doch nun wieder Dänemark. Ein Schritt zurück? Masseure, Physiotherapeuten, überhaupt professionelles Personal gab es bei seinem neuen Verein kaum: „Man kann ja nicht alles verlangen, denn die meisten Spieler arbeiten ja noch halbtags“ – auch die beiden Nationalspieler Peter Rasmussen und der Torschützenkönig Erik Bo Andersen. Piontek schwört, jetzt aus „Rücksicht auf meine Familie“, der das Weltenbummeln „nicht mehr zuzumuten“ war, in Dänemark arbeiten zu wollen. Dennoch wird er regelmäßig gehandelt, wenn Bundesligavereine mit auf der Suche sind. HSV, Werder Bremen, VfB Stuttgart: „Ja, das höre ich immer wieder“, sagt er und raucht zum zehnten Mal die Telefonmuschel an, „aber daran ist nichts.“ Aber nächstes Jahr, nicht wahr, da wird er doch Nachfolger Möller-Nielsens als Dänemarks Nationaltrainer? „Ja, das will ich nicht rundum dementieren. Aber nicht für sechs Jahre. Das ist ja so anstrengend.“ Doch zu helfen könne er sich vorstellen, „mal wieder eine Elf aufzubauen, die auch Erfolg hat, ohne immer glänzen zu müssen“. Zieht hörbar an seiner Pfeife und sagt, nun wieder das Training vorbereiten zu müssen, „hier gibt es nicht so viele Leute, die einem alles abnehmen“.

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