Hendrix plus x

■ Weil Musik nicht alles sagt, will der Musikkanal "Com-TV" sein Publikum auch mit Quizshows und News versorgen

Wieviel Musiksender braucht ein Land? Zur Zeit beschallen vier Musikspartensender deutsche Kabelhaushalte: Neben dem Klassiker MTV, der von der Telekom sogar Gebühren bekommt, damit er sich ins Kabel einspeisen läßt, sind das die Kölner Sender Viva und Viva 2 sowie VH-1 aus Hamburg. Schon bald könnten es drei mehr sein: Der Sender COM-TV will im Januar 1996 mit einem Programm für betagtere Musikliebhaber auf Sendung gehen. Die Kirch- Gruppe hat einen Spartenkanal für klassische Musik angekündigt. Und die Branchengerüchte über einen Schlagersender wollen ebenfalls nicht verstummen.

Das alles klingt nach Überfluß. Allerdings ist bislang keiner der drei deutschen Sender flächendeckend im Kabel betreten: Viva wird zwar in den nächsten Monaten die „magische Sechs-Millionen- Grenze“ bei den Kabelhaushalten überschreiten, wie Geschäftsführer Dieter Gorny jüngst verkündete. Viva 2, konzipiert für die 25- bis 40jährigen, ist bisher aber nicht einmal in ganz Nordrhein-Westfalen im Kabel, obwohl der Sender dort lizensiert wurde. Und auch VH-1, eine deutsche Tochter des amerikanischen Fernsehgigangen Viacom (MTV), sendet bisher weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Weil die meisten Kabelnetze voll sind, hat VH-1 derzeit eine Reichweite, auf die selbst lokale Ballungsraumsender nicht neidisch wären: Zur Zeit erreicht VH-1 gerade mal anderthalb Millionen Kabelkunden.

Allen diesen Sendern ist indes eins gemeinsam: Ihr Betrieb ist nahezu umsonst, verglichen mit dem Budget, das für normale Vollprogramme aufgebracht werden muß. Die Plattenfirmen liefern die Videos, und vor der Kamera stehen meist Anfänger, die keine hohen Gagen verlangen. Etwas schwerer will man es sich bei COM-TV machen, der Anfang Januar 1996 mit täglich 18 Stunden Programm in digitalem Stereo auf Sendung gehen soll. Wie Viva 2 und VH-1 will sich auch COM-TV an die Altersgruppe der über 30jährigen richten, wie Barry Llewellyn von der britischen Investitionsgesellschaft Excalibur Communications Limited am Sonntag am Rand der Kölner Musikmesse PopKomm sagte. Aber im Gegensatz zur Konkurrenz soll COM-TV ein sogenanntes Programm TV werden: Statt vorwiegend ein bestimmtes Musikformat abzunudeln, will man auch Shows anbieten, die sich ausschließlich bestimmten Musikrichtungen widmen.

Außer Popmusik soll auch Jazz, Country, Musicals, Volksmusik und sogar klassische Musik gespielt werden. Und weil die „Com- TV“-Zielgruppe „noch daran gewöhnt ist, sich für bestimmte Sendungen vor den Fernseher zu setzen“, (Llewellyn), sollen neben Videoclip-Sendungen auch klassische Dokumentationen, Quizshows, Opernübertragungen und Nachrichten gezeigt werden. Einiges davon wird den Thirtysomethings weithin bekannt vorkommen. Denn Com-TV will sein Material auch von öffentlich-rechtlichen Anstalten wie ARD, ZDF und der BBC kaufen. Allerdings soll das Programm für „normale Leute“ nicht „schäbig sein“.

Über sein Budget wollte Llewellyn keine konkreten Angaben machen, es handele sich aber um „einen signifikanten Betrag“. Mit 50 festangestellten Mitarbeitern im Studio Dortmund will man an den Start gehen. Später sollen auch Außenstudios in anderen deutschen Großstädten eröffnet werden, denn man will „möglichst nah an unsere Zielgruppe“. Beim Sendestart rechnet Com-TV mit einer technischen Reichweite von sieben Millionen Haushalten. Da die meisten deutschen Kabelplätze immer noch belegt sind, ist das wohl eher zweifelhaft. Der Name COM-TV geistert schon seit Jahren durch die deutsche Medienszene. Der amerikanische Unternehmer John Garman wollte unter diesem Namen einen deutschen Country-Sender veranstalten, an dem auch Wim Thoelke beteiligt war. Vor kurzem kaufte ihm die englische Medien- Investitionsfirma Excalibur Communications sein Konzept ab und erhielt am 15. Mai eine Lizenz der Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter in Rheinland- Pfalz. Die britische Medien-Holding betreibt außerdem einige Produktionsfirmen in Brasilien und verschiedene Printobjekte in ehemaligen Ostblockstaaten.

Unterdessen rüsten sich alle Musiksender auf einen harten Wettbewerb: Viva will künftig gemeinsam mit dem Dudelsender SWF 3 Konzerte und Events veranstalten, und die beiden Sender wollen für einander werben. Viacom setzt dagegen voll aufs Internet: Nachdem VH-1 schon eine Homepage im WorldWideWeb (http://www.vh1.de) hat, sollen auch die Sender der MTV-Gruppe bald ins Netz. Außerdem plant man eine Show mit Live-Teilnahme der Internet-User. Bei Viva hat man dagegen gerade mal zusammen mit dem Springer-Verlag ein eigenes Videotext-Angebot gestartet. Tilman Baumgärtel