■ Die kleine Breitseite
: Kreuz ist Trumpf

Steht ein neuer Kulturkampf bevor? Ist der Rechtsstaat in Gefahr, das Bundesverfassungsgericht zu Karlsruhe die Schädelstätte des Katholizismus?

Hört man das Geschrei, könnte man es meinen. Da nützt es nichts, wenn die Zeit mit doppeltem Aufmacher der Vernunft eine Lanze bricht und die SZ im Feuilleton behutsam aufklärt. Es ist alles eitel, wie der Dichter sagt, oder auch im Geiste von Heiner „Havanna“ Müller: Zehn Katholiken sind natürlich dümmer als drei Katholiken, und die Ignoranz rekrutiert weiter.

Das jüngste Opfer scheint der Münsteraner Professor für Zivilrecht und Internationales Wirtschaftsrecht, Bernhard Großfeld zu sein. Immer schön an der Kampagne entlang und am Sachverhalt vorbei profiliert sich der Professor, quasi mit dem untauglichen Versuch am untauglichen Objekt in der Welt am Sonntag.

„Das Bundesverfassungsgericht hat Gutes bewirkt! Aber gilt das auch für die Zukunft? Wird des Guten zuviel getan?“ Gewiß, Herr Professor, die Zukunft hat schon begonnen, aber hat man je gehört, ein Zuviel des Guten sei justitiabel, strafbar gar?

„Offenbar können 16 Menschen fast alles entscheiden. Sollte die handwerkliche Komponente der Rechtsanwendung so gering sein, daß einige wenige das gesamte Handwerk beherrschen?“

Wer will fleißige Handwerker sehen, muß zu uns Juristen gehn! Was schreibt der Großklempner der Rechtspflege noch? Daß sich mehrere Verfassungsrichter durch „Verweilen an Geburts- oder einzigem Studienort auszeichnen“; zudem sind „drei von vier Richtern Beamtenkinder“.

Artikel 3/3: „Niemand darf wegen seiner Herkunft“ ... Unsinn! Gefahr im Verzug! „Die Verfassungsrichter nennen sich zwar beharrlich ,Richter‘, aber gelegentlich hört man schon ,Oberregierung‘, weil die Richter Politik betrieben.“ Hört, hört: „Am Verfassungswesen sollen wir genesen! Die Tabuzone Verfassung wächst stetig!“ Summa summarum: „Angesichts dessen fragt sich: Wer schützt die Verfassung vor ihren Wächtern?“ Der Verfassungsschutz? Oh nein! Meister Großfeld plädiert vor sich hin: „In dubio pro populo!“ Wir selbst sind der Souverän! Von uns geht ja alle Gewalt aus! Nota bene!

Das Parlament wählt den Kanzler, der bildet die Regierung, und die Regierung klagt dann – in Gestalt der FDP – beim BVerfG gegen sich selbst, um herauszufinden, ob z.B. weltweite Blauhelmeinsätze verfassungsgemäß und innenpolitisch durchsetzbar sind.

Alles klar? Aber worum ging es denn? Ums Kreuz? Nein, ums Grundgesetz. Soweit ich mich erinnern kann um einen der Artikel, an denen ja bekanntlich parlamentarisch nicht rumgefummelt werden darf. Was soll dann der juristische Neid? Der Spruch aus Karlsruhe ist eine juristische Selbstverständlichkeit. Er ergibt sich zwingend, wenn Kreuz und Gekreuzigter ernst genommen werden, ernster, als es Amtskirchen offenbar damit ist. Diese kleine Dialektik hat Professor Großfeld offensichtlich übersehen. Ist eben einfach nicht sein Fach. Matthias Deutschmann

Kabarettist, lebt in Freiburg und Berlin