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Ameisen in Birkenstocks

■ Das „Fantastival '95“ im Kino 46 hat sich dem „sanften“ Science Fiction-Film verschrieben/kkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkk

Die Gegner sind keine Gremlins, Zombies oder sonstige Mutanten. Weder Laser- noch „Faser“waffen sorgen für ihre Beseitigung zum Schutze der Menschheit. Martialische Kampfanzüge – abtreten! Bevor Luke Skywalker 1977 im „Krieg der Sterne“ mit High Tech-Equipment seine Prinzessin aus den Fängen der Finsterlinge vom Todesstern befreit, versuchte Hollywood, dem Science Fiction-Genre neue Seiten abzugewinnen. „Grüne“ Seiten gewissermaßen. Zwei erfolgreiche Ergebnisse dieser ökologisch angehauchten Bestrebungen zeigt das Kino 46 zum diesjährigen dritten „Fantastival“: Die Natur schlägt selbst zurück – und im dritten Film der Reihe tut es der Hauptdarsteller im Namen von Mutter Erde.

In Saul Bass' „Phase IV“ (1973) organisieren sich die Ameisen Arizonas, um Strategien zu entwickeln, ihre biologischen Feinde auszurotten. Der plötzliche Intelligenzschub wird dramaturgisch durch mysteriöse Signale von Anderswo motiviert. Zwei Wissenschaftler, jung und bereits mit untadeligem Ökosinn ausgestattet der eine, älter und mit Hang zum Fanatiker der andere, stellen ihre Forschungsstation im Epizentrum der intelligenten Insekten auf – und warten. Doch die Behörden wollen Ergebnisse sehen, und da müssen die Forscher eben das Ameisen-Hauptquartier reizen. Bis die Ameisen den Truck der Männer lahmlegen und ihre Klimaanlage (womit sie zielsicher ins Herz Amerikas getroffen haben). Die Hitze steigt und der Falke der beiden Männer, durch Ameisenbiß ohnehin vergrämt, geht zum Angriff über, verläßt den Schutz des Labors, um die Ameisenkönigin zu töten. Was gnadenlos gesühnt wird: Die einzelne Ameise ist zwar harmlos, aber die Masse macht's, in Phase III. Phase IV selbst bleibt Utopie, aber keine schlechte. Wer sich mit den Ameisen arrangiert, kommt ganz gut zurecht. Regisseur Saul Bass zeichnete vorher für die kunstvolle Vorspann-Gestaltung diverser Hitchcock-Filme verantwortlich. Die Spannung aufrechtzuerhalten, ist nicht gerade seine stärkste Seite; die virtuosen Makro-Sequenzen in den Ameisenwohnheimen sind aber auch 22 Jahre später noch höchst eindrucksvoll. Insekten sind eigentlich auch Menschen, findet Saul Bass.

Auch Douglas Trumbull, von Haus aus Special Effects-Experte (“2001“), griff 1971 zu Birkenstocks, um „Silent Running – Lautlos im Weltraum“ zu drehen. Die Erde (von unseren Kindern nur geliehen) ist von Atombomben verwüstet, das letzte Gewächshaus kreist seit acht Jahren in einem Raumschiff. Als der Gärtner (Bruce Dern) den Auftrag bekommt, seine Pflanzen zu zerstören, weigert er sich. Gottseidank kann er einen 70er-Jahre-Roboter auf Blumengießen trainieren und so Ficus benjamini & Co. der Nachwelt sichern. Bingo. Und Joan Baez jault dazu.

In Florian Flickers low budget-Produktion „Halbe Welt“ (1993) ist die Sonne Ursache allen Übels. Weil die Menschen kein Sonnenlicht mehr ertragen, spielt sich alles Leben auf der Straße nachts ab. Tagsüber sind die Straßen verwaist; ein Medienmulti mit Polizeibefugnissen besitzt das Monopol auf Bilder mit schöner heiler Welt: Wasserfälle, Wälder, Landschaften. Ein paar Dissidenten versuchen, die Erinnerungs-Diktatur zu durchbrechen. Die guten Namen zweier Darsteller, Maria Schrader und Dani Levy, haben dafür gesorgt, daß die Bremer Erstaufführung „Halbe Welt“ nicht in der Schublade des Regisseurs verschwindet. Mit viel Liebe zum Detail ist es hier die schwierige Aufgabe geglückt, eine andere Welt glaubhaft zu machen. Ohne teure Effekt-Spektakel, nur mit gekonnt eingesetzten filmischen Mitteln. Etwa dem Verlust der Lippensynchronität bei allen, die sich trotz Verbot der Sonne aussetzen.

Das Fantastival hat aber noch mehr zu bieten als die gut im Kalender plazierte Sektion Sonnenhasser. Eine Vampirnacht (25.8.), die Hongkong-Nacht (26.8.) sowie, im dänischen Original mit Untertiteln „Nattevagten“/Nachtwache und den Stummfilm „Der Golem, wie er in die Welt kam“ (25.8.).

Alexander Musik

„Phase IV“ 27./28.8., 18.30 Uhr; Silent Running 24./29.8., 18.30 Uhr; Halbe Welt 24.8., 26.-29.8., 20.30 Uhr; 25.8. 18.30 Uhr

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