Glück müßte man haben

■ Heute moderiert Wolfgang Lippert ein letztes Mal für das ZDF die "Goldmillion". Das Quiz wird eingestellt. Die Show geht weiter (20.15 Uhr)

Das sei für ihn „möglicherweise ein persönlich schmerzhafter Prozeß“, hatte sein oberster Dienstherr, ZDF-Intendant Dieter Stolte, einfühlend vermerkt, und Wolfgang Lippert hatte regungslos in seinem Sessel gesessen und auf die nun unweigerlich folgenden Worte gewartet: Ab nächstes Jahr würde wieder Thomas Gottschalk „Wetten, daß ...?“ moderieren. Für Herrn Lippert, so Stolte, werde man selbstverständlich eine neue, eigene Show konzipieren.

Auf den Tag genau zwei Jahre ist das jetzt her. Und die Zeit zwischen damals und heute ist für Wolfgang Lippert (43) tatsächlich ein nie aufhörender, immerfort „schmerzhafter Prozeß“ gewesen. Heute nun ist sein Leidensweg vom Quoten-Ostler zum West- Showstar und zurück vorerst abgeschritten: An diesem Abend um 21.15 Uhr wird die „Goldmillion“ endgültig eingestellt. Für die der Sendung angegliederte Soziallotterie „Aktion Sorgenkind“ und den jetzt arbeitslosen Lippert, so der neue ZDF-Unterhaltungschef Axel Beyer, werde man selbstverständlich eine neue, eigene Show konzipieren.

Anders als 1993, als Wolfgang Lippert unfreiwillig über die neue Personalpolitik des damaligen Unterhaltungschefs Fred Kogel gestolpert war, hat „Lippi“ sich diesmal selbst ins Aus katapultiert. Denn eigentlich wollte Kogel- Nachfolger Beyer die quotenschwache „Goldmillion“ erst zum Ende des Jahres aus dem Programm nehmen. Aber Lippert, der sich wohl noch gut an den langen, leidvollen Countdown seines „Wetten, daß ...?“-Abgangs erinnerte, wollte dieses halbe Jahr nicht mehr durchstehen: „Mir ist die Aktion Sorgenkind zu wichtig“, ließ er die Öffentlichkeit wissen, „als daß ich weiterhin eine Sendung moderieren möchte, deren Konzeption offensichtlich nicht stimmt.“ Und dann noch: „Ich will für und nicht gegen das Publikum arbeiten.“

Tatsächlich hatten die Zuschauer das recht wirre Spiel rund um den Millionen-Gewinn nie so recht annehmen wollen. Ursprünglich als „große Samstagabend-Show“ gestartet, war die Spielidee von Kurt Felix eher auf Unverständnis denn auf Zustimmung gestoßen. Immerfort bastelte man im vergangenen Jahr hinter und vor den ZDF-Kulissen daran, den Remake aus der Schweiz auch deutschen Zuschauern schmackhaft zu machen. Immerfort sanken derweil die Quoten und – was vielleicht viel dramatischer ist – die Bereitschaft, sich an der Soziallotterie für Behinderte, „Aktion Sorgenkind“, zu beteiligen. Wolfgang Lippert kann für all das letztlich nichts. Eine Moderator, das sagt schon das Wort, moderiert schließlich nur, was andere sich ausgedacht haben. Trotzdem: Der erneute Mißerfolg wird natürlich an ihm hängen bleiben. Denn ein Showmaster, auch das sagt schon das Wort selbst, soll stets Herr der Lage bleiben. Er hat uns Zuschauern daheim vor den Bildschirmen zu vermitteln, daß uns nichts Schöneres widerfahren könnte, als jetzt und hier, diese und keine andere Sendung zu gucken. Wim Thoelke, Meister des „Großen Preises“, hat es vorgemacht. Daß er bis zum Schluß persönlich überzeugt von allem war, was er da tat – von der Spielidee der Rateshow, von der „Aktion Sorgenkind“ und von dem Wissen seiner Kandidaten –, machte einen großen Teil seines Erfolges aus.

Für Lippert war die „Goldmillion“ ein Abstieg, ein Verschiebebahnhof, bestenfalls seine letzte Chance. Zu hoch war er seit seinem Einstieg ins Westfernsehen emporgestiegen, als daß er den Abstieg hätte verkraften können: Als der damalige DDR-Star 1987 bei einem Gastauftritt der Talkshow „III nach neun“ (Radio Bremen) entdeckt wurde und stante pede die Sendung „Stimmt's?!“ übertragen bekam, schien das der Beginn einer steilen Karriere zu sein. Denn als wenig später die Mauer fiel und das Fernsehen sich vereinigte, brauchte man dringend einen Repräsentanten des annektierten Sendegebiets. Der smarte Kfz-Mechaniker, der seinen Landsleuten in der Show „Glück muß man haben“ den Gewinn eines Trabbis in Aussicht gestellt hatte, kam dem Westfernsehen da als Gottschalk-Nachfolger gerade recht: Hüben beliebt, drüben schon bekannt, schien er das perfekte Symbol für die Einigungsepoche.

Symbole aber nutzen sich ab. Und so wurde aus dem westkompatiblen Lippi der Quotenostler Lippert, der sich nicht so schnell wenden wollte, wie die Wende sich vollzog. Wie die ehemaligen DDR-Bürger für den Sozialstaat, wurde Lippert zunehmend zur bedrückenden Altlast für das ZDF. Man wird sich von ihm auch jetzt nicht endgültig verabschieden können, so wie man auch die neuen Bundesländer nicht wieder los wird. Man wird ihm eine neue Aufgabe geben. Aber mit Glück hat das alles nichts zu tun. Eher mit dem „schmerzhaften Prozeß“ der Wiedervereinigung. Klaudia Brunst