"Es war ein normales Arbeitstreffen"

■ Kanzler Kohl traf überraschend mit prominenten BürgerrechtlerInnen aus der ehemaligen DDR zusammen. Solche Treffen gehören zu Kohls Aufgaben, findet Gesprächspartner Wolfgang Templin und hofft auf weit

taz: Was mag den Kanzler bewogen haben, sich mit Ihnen und anderen BürgerrechtlerInnen zu treffen?

Wolfgang Templin: Ich weiß nicht, was ihn daran fasziniert hat. Es war kein Höflichkeitsbesuch. Für mich war das eher ein normales Arbeitstreffen, wenn auch kein alltägliches. Auf seiten der Bürgerrechtler waren wir sieben Leute, Kohl kam mit Kanzleramtsminister Friedrich Bohl und mit Staatsminister Anton Pfeifer. Ich gehe davon aus, daß Kohl Interesse an Antworten aus unserer Sicht auf eine Reihe von Fragen hatte. Es waren Fragen, die sich mit dem Schwerpunkt Aufarbeitung der Vergangenheit befassen, wer für diese die Verantwortung trägt und wo die Defizite liegen. Wir haben auch über verbundene Probleme der Vereinigung gesprochen.

Ein Beispiel bitte?

Zum Beispiel die Frage, wie die mentale und politische Kluft zwischen Ost und West langfristig überwunden werden kann. In der Runde hatte aber keiner Illusionen, daß das kurzfristig möglich sein wird.

Am Ende des Gesprächs soll ein weiteres Treffen vereinbart worden sein. Müssen wir nun mit der Dauereinrichtung „Kohl trifft Bürgerrechtler“ rechnen?

Ich gehe davon aus, daß das keine Sondersituation ist. Gespräche finden auch mit Leuten aus anderen politischen Spektren statt.

Hat der Kanzler irgend etwas versprochen?

Nein. Das konnte auch gar nicht der Zweck der Veranstaltung sein. Er hat mir aber in dem Gespräch den deutlichen Eindruck vermittelt, daß er an unseren konkreten Überlegungen interessiert ist. Eines wurde deutlicher besprochen: Es geht um die Einrichtung eines — nicht staatlichen — Büros, das die Fragen und Probleme unabhängig aufgreift und bearbeiten hilft, die die Bürger mit der Einigung und der Geschichtsaufarbeitung haben.

Schmückt sich der Kanzler mit falschen Federn, wenn er sich werbewirksam mit Bürgerrechtlern aus der früheren DDR trifft?

Solche Treffen gehören meines Erachtens zu seinen ganz normalen Aufgaben. Wir haben ihn als Bundeskanzler wahrgenommen, es ging überhaupt nicht um eine parteipolitische Ausrichtung. Nach meinem Eindruck hat Kohl auch versucht, die Außenwirkung eines solchen Besuchs so niedrig wie möglich zu hängen. Er war nicht daran interessiert, das Treffen groß herauszuposaunen. Das Gespräch sollte ein Sachgespräch sein, und das ist es auch gewesen.

Wird das Gespräch Folgen haben?

Ich hoffe. Vor allem, weil wir in einigen Punkten auch ganz konkret gesprochen haben. Aber dazu möchte ich aus dem Stegreif weiter nichts sagen.

Ist über das Gespräch etwa Vertraulichkeit vereinbart worden?

Das nicht. Wir haben aber ausgemacht, bestimmte Sachen, die man gemeinsam weiter überlegen kann, nicht aus dem Stand heraus vorab überall auszubreiten. Interview: Wolfgang Gast

Wolfgang Templin ist Bürgerrechtler aus der früheren DDR, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und Mitarbeiter im Berliner Haus am Checkpoint Charlie