Kohl bei Widerstandszelle

■ Klier, Bohley, Templin und Co. freuen sich über den hohen Besuch aus Bonn: „Gut, daß er mit uns redet!“

Berlin (taz/dpa) – Bundeskanzler Helmut Kohl hat gestern die „Keimzelle“ des Widerstandes gegen das DDR-Regime besucht. Pünktlich zum fünften Jahrestag des Volkskammer-Beschlusses über den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik traf er sich mit BürgerrechtlerInnen aus der DDR, darunter Bärbel Bohley, Wolfgang Templin, die Regisseurin Freya Klier, der ehemalige Brandenburger Landtagsabgeordnete Günter Nooke, auch der Ex-Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen Konrad Weiß war bei dem Treffen in Bohleys Wohnung zugegen.

Das Unrecht der DDR dürfe nicht vergessen werden, erklärte Kohl nach dem Gespräch. Es dürfe nicht zugelassen werden, „daß das, was Unrechtsregime war, einfach untergraben wird, weil es einigen so paßt“. Es sei gerade das Recht der Männer und Frauen, offen zu sprechen, die für die Kritik an der DDR gestanden und unter dem Regime gelitten hätten. Kohl: „Ich werde nicht zulassen, daß diese Stimmen verstummen.“ Templin nannte das Treffen ein „normales Arbeitsgespräch, wenn auch kein alltägliches“. Der Termin, hieß es, sei schon lange vereinbart gewesen, er wurde jedoch wie ein Geheimnis gehütet. Im November soll nun eine weitere Runde zwischen Kohl und BürgerrechtlerInnen folgen.

Daß die Gespräche hinter den bröckelnden Fassaden in Ostberlin etwas mit der Berliner Landtagswahl am 22. Oktober zu tun haben, wies der Kanzler weit von sich. „Ich finde es gut, daß Kohl gesagt hat, er redet mit uns“, sagte Klier nach der zweistündigen Unterredung. Es sei nicht nur um die Vergangenheitsbewältigung gegangen. Es seien „Formen“ überlegt worden, wie der Gefahr des Vergessens begegnet werden könnte. Genaueres ließ sich aber weder den Bürgerrechtlern noch dem Kanzler entlocken.

Interview Seite 4