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■ 2000 Anschläge – Die GastkolumneDie Drei-Messen-Gesellschaft muß her

Sage noch einer, Messen auf der Bürgerweide seien kein einträgliches Geschäft. Während sich andere Städte um jeden Krümel vom Messe-Kuchen prügeln, fanden bei uns in Bremen letzten Sonntag gleich drei auf einmal statt! Und wir Flaneure konnten einen Eindruck davon gewinnen, was es heißt, wenn der Wunsch der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft in Erfüllung geht und sie die ganze Weide bewirtschaftet. Die Hafa hatte ihr Zeltlager vor dem Congress Centrum aufgeschlagen, in Halle V tobte der Schnäppchen-Markt und am hinteren Ende der Ex-Weide präsentierte der Reebok Planet Sportswear. Weil man die aber vor lauter Gehopse nicht so gut erkennen konnte, hatten die Reeboks eine kleine Sportartikel-Messe aufgebaut, wo adrette junge Damen Junge und Junggebliebene ins Gespräch verwickelten. Nein, nein, verkauft wurde nichts, weil es war Sonntag. Aber Montag, 9.30 Uhr, macht Karstadt auf und wenn's ein Paar Reebok-Schuhe sein sollen ...oder doch lieber welche von Adidas? Die machen am Samstag nämlich zusamen mit Karstadt ein Streetball-Turnier, und da werden dann jede Menge „authentische Subkulturen“ präsentiert. Nein, nein, verkauft wird nichts, aber Montag, 9.30 Uhr... Alle halten sich an die Regeln, nur unsre polnischen Nachbarn nicht. Die schmuggeln ruhelos Zigaretten und Kalaschnikows und bieten zu unserm Überfluß auch noch Neuwaren an, die Polizei verhindert das Schlimmste: Was wären wir ohne den Sonnenschein für die Konsumenten, ohne die Razzia bei den Polen. So war an diesem Sonntag für jeden was dabei, und wir verstehen nicht so richtig, liebe HVG, warum Sie auf der Bürgerweide nur Ihren persönlichen Interessen nachgehen, in Branchen investieren, die vorgestern geboomt haben und beispielsweise dem Flohmarkt mit Antiquitäten zu Leibe rücken wollen. Deshalb ein paar gut gemeinte Vorschläge von Ihren Nachbarn: Das CCB wird umbenannt ins MDI (Mahnmal des Irrwegs), dort findet eine ständige „Messe der Verschwendung“ statt, demnächst Ex-DASA'ler könnten für 600-800 Mark, die angeblich jeder Messebesucher in Bremen läßt, können am Tag dort vorbeipatrouillieren und was von Steuergeldern brabbeln. Den Flohmarkt nehmen Sie in Ihre geschickten Hände und stricken daraus die erste Internationale Armutsmesse mit dem Titel „Schengen 2000“, und hinten an der Messeweide, Nähe Kulturzentrum Schlachthof, verpachten Sie eine Ecke an Karstadt, die präsentieren dann da „authentische Subkulturen“ am laufenden Meter, Mode-Scouts aus der ganzen Republik erfahren hier zuerst, was der letzte Schrei ist, und montags, 9Uhr 30...

Elke Heyduck, Ralf Lorenzen

Die Autoren sind Mitarbeiter des Kulturzentrums Schlachthof

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