: Trilaterale Enthemmung in Noten
■ Zur Uraufführung eines Konzerts zum Film: „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“
Achtzehn junge MusikstudentInnen aus Paris, 22 aus Moskau und 22 aus Berlin proben derzeit im Sport- und Kongreßzentrum Weißensee für ein kulturpolitisches Highlight der kommenden Woche. Am 29. August werden sie im Haus der Kulturen der Welt dem 1927 von Walter Ruttmann inszenierten Stummfilm: „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ neues Leben einhauchen.
Die Uraufführung des Konzerts zum Film wird vom Düsseldorfer Komponisten Mark Andreas („Ich habe zehn Jahre meiner Kindheit in Berlin verbracht“) selbst dirigiert. Sechs Stunden täglich, „ohne Orchesterbüro, ohne Notenpulte und andere Dinge, auf die ein Orchester mit Tarifvertrag normalerweise zurückgreifen kann“, so Andreas, üben etwa die Streicher der bekannten Moskauer Gnessins- Schule mit Holzbläsern der Pariser Musikschulen und Schlagzeugerinnen aus Berlin.
Die orchestrale Neufassung zum Dokumentarfilm über „das Leben einer Metropole im Herzen Europas“ wird nach Auffassung des Komponisten „nur mit einem solchen, so jungen Orchester“ – die Pianistin ist gerade 16 Jahre alt – zu verwirklichen sein. Die Filmaufführung wird für Berlin deshalb einmalig bleiben.
Keine einmalige Sache soll hingegen die trilaterale Zusammenarbeit der Städte sein, die im September 1994 bislang lediglich auf bilateraler Ebene Kulturprotokolle unterzeichnet haben. „Es ist wichtig, gerade Rußland wieder in die europäischen Zusammenhänge einzugliedern“, sagte Staatssekretär Winfried Sühlo auf der gestrigen Pressekonferenz. Denn Osteuropa sei vielen Menschen heutzutage unheimlich. Das Projekt könne dazu beitragen, solche Hemmungen abzubauen. „Das Konzert hat dabei natürlich vor allem symbolische Bedeutung.“
Entscheidend sei, und deshalb unterstütze das Land Berlin den Workshop auch mit 150.000 Mark, die künstlerische Zusammenarbeit der jungen Musiker und die Tatsache, daß es nach der Filmaufführung in Berlin identische Aufführungen der „Sinfonie der Großstadt“ am 2. September in Moskau und am 15. September in Paris geben wird. Kathi Seefeld
Am 29. 8., 20 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles- Allee 10, Tiergarten
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