Südafrika will seine Armee halbieren

■ 60.000 Soldaten, darunter 10.000 Ex-Guerilleros, entlassen

Johannesburg (taz) – Seit gut einer Woche ist die Stimmung unter den ehemaligen südafrikanischen Guerilla-Kämpfern nicht gerade die beste. Rund 10.000 Mitglieder des früheren militärischen Flügels des ANC „Umkhonto we Sizwe“ (Speer der Nation, im Volksmund MK genannt) und der „Apla“ (Azanische Volksbefreiungsarmee), der entsprechenden Organisation des radikalen Panafrikanischen Kongresses (PAC), sollen nach einem Regierungsbeschluß sofort aus der südafrikanischen Armee entlassen werden. Darüber hinaus mußte Verteidigungsminister Joe Modise, selbst bis 1994 Chef von Umkhonto we Sizwe und ein militärischer Hardliner, am Montag abend die drastischste Reduzierung einer Armee verkünden, die weltweit seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vorgenommen wird. Bis 1999 sollen 60.000 Soldaten aus der derzeit 135.000 Mann starken Truppe entlassen werden.

Um Abfindungen, Übergangsgelder und Pensionen für die Entlassenen zu finanzieren, hat das Kabinett eine Summe von 225 Millionen Rand (rund 90 Millionen Mark) bewilligt. Betroffen sind vorerst diejenigen MK- und Apla- Mitglieder, die bis zum 16.August noch keinen Vertrag in der integrierten Armee erhalten haben. Alle, die über keinerlei andere Berufserfahrung verfügen, sollen in 18monatigen Kursen für Zivilberufe ausgebildet werden. Bereits im Februar dieses Jahres war ein sogenanntes „Dienstkorps“ gebildet worden, das mit Umschulungsprogrammen ehemaligen Guerilla- Kämpfern den Weg in ein ziviles Leben erleichtern soll.

Die Armee-Integration verläuft schleppend

Daß es die Ex-Guerilleros nun als erstes trifft, hängt auch mit ihrer nur schleppenden Integration in die neue südafrikanische Armee zusammen. Nach den ersten demokratischen Wahlen im April 1994 wurde die alte weiße Armee mit Umkhonto we Sizwe, Apla und den Armeen der ehemaligen, sogenannten unabhängigen Homelands Bophuthatswana, Venda, Transkei und Ciskei vereinigt.

Die alte Apartheid-Armee SADF (South African Defence Force) wurde um den Buchstaben „N“ wie national bereichert und heißt seitdem SANDF. In ihr stehen sich derzeit rund 100.000 weiße und knapp 35.000 schwarze Soldaten gegenüber, davon rund 17.000 aus den Befreiungsbewegungen.

Doch die Verschmelzung der verschiedenen Armeen, die nach dem Machtwechsel als zentraler Bestandteil der Versöhnungspolitik am Kap gepriesen wurde, kommt nur sehr schwerfällig voran. Immer wieder verweigern Ex-Guerilleros den Dienst, und viele sind nach dem jahrelangem Leben im Busch nicht mehr in der Lage, in eine hochtechnisierte und moderne Armee wie die südafrikanische eingegliedert zu werden. Eine Meuterei von mehreren tausend MK-Soldaten im Lager Wallmanstal bei Pretoria führte im vergangenen Oktober zu einer so ernsten Krise, daß Präsident Nelson Mandela persönlich eingreifen mußte.

Auch innerhalb des ANC kommt es immer wieder zu Spannungen wegen dieses Prozesses. So beklagte sich der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Parlament, Tony Yengeni, selbst ein ehemaliger MK-Kämpfer, am Dienstag erbittert über die Bevorzugung von Weißen innerhalb der Armee. Der Vorwurf ging an einen ehemaligen Kampfgenossen: Generalstabschef Siphiwe Nyanda, einer der wenigen schwarzen Generäle in der neuen Armee. Der General konterte und beschrieb ausführlich die Schwierigkeiten mit der Integration. Viele der Guerilleros könnten nicht einmal lesen und schreiben, und auch ihre militärische Ausbildung genüge den Anforderungen oft nicht. Außerdem hätten allein in diesem Jahr fast 500 meist weiße Ausbilder das Handtuch geworfen – wegen zu großem Streß mit den Guerilleros. Kordula Doerfler