■ Mit dem Klärschlamm auf du und du
: Die braune Sintflut

Berlin (taz) – Kaum ist das Ende des Sommerlochs abzusehen, entwickeln die Umweltexperten der CDU ein neues Horrorszenario. Gestern rief der CDU-Abgeordnete Steffen Kampeter in Bonn den „Entsorgungsnotstand“ aus – ganz Deutschland werde bis zum Jahre 2000 in Schlamm ersticken. Schuld ist der böse Klärschlamm, der von 50 Millionen auf 70 Millionen Tonnen steigen wird. In den neuen Bundesländern soll sich die Schlammenge um 300 Prozent vermehren.

Deutschland, oh Deutschland – du versinkest in deinen eigenen Dreckfluten! Aus den Klärwerken quillt es, stinkt es ... Visionen von braunen Sintfluten werden wahr. Was tun? Für die Saubermänner der CDU gibt es nur einen Retter aus der Not: die Spezial- und Hausmüllverbrennungsanlagen.

„Typisch für die CDU“, stöhnt Umweltexperte Hermann Kessler von Bündnis 90/Die Grünen auf. „Die sehen ihre Felle davonschwimmen, wenn sie ihre Müllverbrennungsanlagen nicht weiter bauen können.“ Auch Rudolf Mach, Experte für Abfallwirtschaft beim Umweltbundesamt (UBA), hält die Klärschlamm- Visionen der CDU für einen Fake. Die Schadstoffwerte für Klärschlamm seien mit 100 Nanogramm (ng) ziemlich hoch angesetzt. Meist erreiche der Schlamm aus den Klärwerken aber nur Werte bis zu 30 ng.

Da den Landwirten aber freisteht, ob sie den Klärschlamm auf ihren Feldern ausbringen wollen, habe gerade eine solche Klärschlamm-Verteufelung empfindliche Konsequenzen. Wenn der Klärschlamm nicht ausgebracht werden kann, muß er eben auf die Deponie oder in die Verbrennungsanlage. Doch die letzteren will wiederum auch keiner. Neben Spezialverbrennungsanlagen zieht niemand gerne sein Gemüse.

Die neuen Bundesländer sind besonders stark von den Klärschlammengen betroffen. Der Ausbau von Kanalisation, Abwassserentsorgung und Kläranlagen hat die Fluten rapide in die Höhe steigen lassen. Ohne aber gleichzeitig mit den Landwirten und den Kommunen die Entsorgung des Schlammes zu organisieren. Und überhaupt zum Wort „Entsorgung“, das die CDU hier so gerne in den Mund nimmt – Kennen wir das nicht aus ganz anderen Zusammenhängen, von radioaktiven Abfällen usw.? Soll der Klärschlamm jetzt zu unser aller existenziellen Angst werden? Die braune Pest der letzten Jahre vor 2000? Mitnichten. Eine stärkere Kontrolle bei der Einleitung von Abwässern kann die Qualität von Klärschlamm erheblich verbessern. Und dann kann auch die braune Flut dort landen, wo sie am besten aufgeräumt ist: auf den Feldern von uns sauberkeitsliebenden Deutschen. Julia Seidl