Freiheit, die ich meine ...

■ Dänemark liefert Nazi Lauck an die BRD aus

Gary Lauck gilt als eine Schlüsselfigur, wenn es um neonazistische Propaganda geht. Da er die braunen Machwerke von seiner Heimat in den USA aus nach Deutschland versendete, konnte die deutsche Justiz ihn bisher nicht belangen. Die in der US-Verfassung verbriefte Redefreiheit schützte ihn. Erst als er im März Dänemark besuchte, bot sich die Chance, seiner habhaft zu werden. Seine Auslieferung war jedoch keineswegs von Anfang an sicher. Sie erfolgt erst jetzt, nachdem die obersten dänischen Richter festgestellt haben, daß seine Propagandatätigkeit auch nach dänischem Recht strafbar ist. Das war zweifelhaft, da das dänische Strafrecht in dieser Hinsicht erheblich milder ist als das deutsche. Deshalb wurde 1988 die Auslieferung des Altnazis Thies Christophersen verweigert.

Die Meinungsfreiheit ist das Fundament der Demokratie. Sie einzuschränken heißt, die Demokratie zu beschränken. Deshalb pflegen die Dänen einen liberalen Umgang mit der Meinungsfreiheit, selbst dann, wenn es um die Meinung von Neonazis geht. Das erscheint vielen Deutschen suspekt. Sie sind eher bereit, diese Freiheit einzuschränken, als eine „falsche“ Meinung stehen zu lassen.

Für die Dänen gehört es hingegen zu den Kosten der Freiheit, auch solche Meinungen zu ertragen. Die Auslieferung Laucks bedeutet keine Abkehr von dieser Praxis. Sie wird lediglich dem besonders gelagerten Fall eines antisemitischen Hetzers gerecht. Der Grund für diese deutsch-dänische Differenz liegt in den unterschiedlichen historischen Erfahrungen. Während die Dänen gegen die deutsche Besatzungsmacht im Zweiten Weltkrieg für ihre Freiheit einen opferreichen Untergrundkampf führten, wurde sie den Deutschen von den Alliierten nach deren Sieg über Nazideutschland geschenkt. Deshalb vertrauen die Deutschen noch immer eher auf staatlichen Freiheitsschutz als auf ihre eigene Freiheitsliebe.

Wir Deutschen sollten die dänische Liberalität nicht als extrem zurückweisen, sondern uns fragen, ob es nicht an der Zeit ist, etwas mehr Zutrauen in unsere Freiheitsliebe zu setzen. Dazu hat die Berliner Republik durchaus Grund. Denn in das vereinigte Deutschland haben die Westdeutschen über vierzig Jahre demokratische Praxis und die Ostdeutschen einen erfolgreichen Kampf für die Freiheit eingebracht. Und wir sollten bedenken, daß selbst die besten Gesetze nichts nutzen, wenn dahinter nicht Bürger stehen, die bereit sind, die Freiheit zu verteidigen. Alexander Molter