Warten auf den Herbsttyp

„Baby, entzünde mein Feuer“ – Populäre Formen der Kontaktaufnahme in dieser Saison  ■ Von Carola Schampers

Waren auch Ihre Bemühungen an sonnigen Seen oder in lauschigen Parks von Erfolg gekrönt? Sie konnten in dieser Saison doch sicher ebenfalls einige hitzige Nächte nach den Anstrengungen des Nachmittags beziehungsweise des Abends verzeichnen, oder?

Denn die Möglichkeiten des öffentlichen Raums, der transparenten Bekleidung machen nicht unbedingt eine Reise nach Mallorca oder Gomera erforderlich, wenn Großstadtzivilisierte wieder einmal mit der Natur in Berührung geraten wollen. Richtig, es handelt sich hier um eine Betrachtung realer oder realisierbarer Formen der Kontaktaufnahme.

Das Repertoire ist breit gefächert; meine Erfahrungen beweisen es. Die einfache, immer schöne Variante ist das direkte Zeigen und Sagen dessen, was wir fühlen. Also einerseits bewährte Komplimente, zum Beispiel „Du riechst gut“, „Du siehst gut aus“, „Du reparierst dein Fahrrad gut“. Und andererseits das unverklemmte, rein zufällige Berühren von Nacken, Arm und Knie des anderen.

Der zweite, tiefer reichende Zugang ist nicht unbedingt ein Muß. Er erlaubt es aber, persönliche Erlebniswelten auszuloten. Als da wären Beruf und Freizeit, Kindheit und Gegenwart, Mode und Musik, Essen und Trinken, Abneigungen und Vorlieben.

Aus solchen Zwiegesprächen entsteht häufig ein intimerer Austausch, der meist von Begriffen aus Psychologie, Politik oder Religion getragen wird. Die Sinnfrage stellt sich ja jeder beziehungsweise jedem anders: „Auch ich war zwei Jahre in Indien.“ „Meine Mitgliedschaft bei den Grünen bereue ich nicht; sie ist wirklich eine wichtige Phase in meiner Entwicklung gewesen.“ „Nach vier Jahren Partnertherapie haben wir uns dann getrennt.“ Oder: „So habe ich mit fündundzwanzig, dreißig noch gedacht. Heute weiß ich, daß Radikalismus und Aktivismus an der Realität vorbeizielen. Die Gratis-Kreditkarte zur Bahncard konnte ich jedoch dringend gebrauchen.“

Die letzte Ebene, die alle vorangegangenen transzendiert, ist diejenige der Bewertung des Lebens(un)glücks mit eventuell appellativem Charakter im Hinblick auf die (gemeinsame?) Zukunft. Entscheidende Stichworte hierbei:

Freiheit: „Ich gehe nicht mehr in Kaufhäusern einkaufen. Bei mir um die Ecke ist ein Bioladen, und meine Kleidung ist ausschließlich secondhand aus den siebziger Jahren oder aus Naturfaser wie Hanf.“ „Ein-, zweimal die Woche treffe ich mich mit ihr – wir reden sogar über unsere Probleme; daß wir uns nicht einengen wollen, ist abgesprochen, jeder weiß Bescheid.“ „Sooft wie möglich fahre ich in Urlaub, nach Kreta in ein kleines Fischerdorf.“

Spiritualität: „Ich habe den ersten Reiki-Grad, seitdem weiß ich, wer Gott ist. Gott, das ist grenzenlose Energie. Möchtest du Reiki durch mich erfahren?“

Gemeinschaftlichkeit: „Die Leute, mit denen ich zusammen auf die Piste gehe, sind meist aus dem Stadtteil. Nachmittags treffen wir uns mit den anderen Stammgästen aus der Osteria. Tanzen tun wir am liebsten in der Hafenbar in der Chausseestraße. Die Atmosphäre im Mantovani ist vollkommen unverfälscht, familiär.“

Gestaltungsfähigkeit: „Kreativität? Das ist schon ein Unwort, genau wie Authentizität. Da denkt doch jeder, ich komme aus dem Agentur- oder Medienbereich. Ich mag das Lebendige, Alltägliche. Für 97 plane ich diverse Projekte in Barcelona, Moskau und London.“ „Schau – hier habe ich ein Feuerzeug (Motiv: Madonnas nackte Rückansicht), wenn du es anzündest, spielt es ,Come on baby, light my fire‘.“

Tja, ein Bekannter von mir, als er sich meine aufgebrachten Erzählungen über die Männer dieses Sommers anhören mußte, verwies ernüchternd auf die Tatsache, daß die Menschheit doch sonst aussterben würde. So sehe ich dem Herbsttyp entgegen.