Schräge Töne im Kabelnetz

■ Freie Radiogruppen in Berlin bieten ihr alternatives Programm im Kabel an. Trotz unterschiedlicher Vorstellungen kämpfen sie gemeinsam um eine eigene UKW-Frequenz

24 UKW-Stationen und 35 Kabelsender – die Radiolandschaft in Berlin scheint bunt zu sein. Doch die Vielfalt trügt. Musikalisch wie inhaltlich unterscheiden sich die Sender kaum. Und Abhilfe ist nicht in Sicht. Eine Allianz konservativer Medienpolitiker hat einen alternativen Gesellschaftsfunk bislang nicht zugelassen.

Freie Radios kämpfen in der ganzen Bundesrepublik seit Jahren darum, eine lebendige Öffentlichkeit von unten wiederherzustellen. Marginalisierte Gruppen und lokale Bürgerinitiativen melden sich hier zu Wort. Sie verbreiten Nachrichten, die in herkömmlichen Programmen keine Beachtung finden oder unterdrückt werden.

Während etwa Radio Dreyeckland in Freiburg sendet, gibt es in Berlin seit dem Untergang von Radio 100 und DT64 keine schrägen Töne mehr. Im vergangenen Jahr hat sich deshalb der Landesverband freier Radios gegründet. Mit dabei sind die Radiogruppe „Kabelbrand“, die sich nach den Übergriffen auf Ausländer in Rostock gegründet hat, der einstige Ostberliner Piratensender „Radio P“ (für Prenzlauer Berg), die Medienwerkstatt „Klangwerk“, die „Medieninitiative Babelsberg“ und „Radio Aktiv“, das schon seit zehn Jahren Sendungen produziert. Das erklärte Ziel des Dachverbandes ist es, einen festen UKW-Platz zu ergattern.

Als im Juni der Rundfunkstaatsvertrag novelliert wurde, stiegen die Chancen der freien Radios auf eine Antennenfrequenz. Jetzt können die einzelnen Bundesländer nichtkommerziellen Rundfunk aus dem Etat des sogenannten Kabelgroschens, ihrem Zwei-Prozent-Anteil an den Rundfunkgebühren, finanzieren. Der Senat sträubt sich allerdings: In dem Gesetzesentwurf, der noch vor den Wahlen im Oktober beschlossen werden soll, heißt es, ein Bürgerradio sei „nicht notwendig“, da ein Offener Radiokanal bereits seit zehn Jahren existiere.

Laut Thomas Rotkegel, dem Medienexperten der Senatskanzlei, haben im Hause des Regierenden Bürgermeisters Diepgen andere Prioriäten Vorrang. Weil der Kabelgroschen keine „unendlich große Summe“ sei, sollen lediglich neue Übertragungstechniken gefördert werden. Der Senat setzt lieber auf digitalen Fortschritt, anstatt die Medien zu demokratisieren.

Die freie Radioszene ist ein heterogener Haufen, aber keinesfalls zerstritten. „Die Initiativen haben alle eine andere Geschichte und unterschiedliche thematische Schwerpunkte“, meint Matthias von Radio P. Darin liege gerade die Stärke des Landesverbandes. „Wir brauchen kein Zentralorgan, das alles vorschreibt, und wollen nicht nur im eigenen Saft kochen.“

Viele Radiogruppen haben Vorbehalte gegenüber dem Offenen Kanal (OK). So nutzt beispielsweise die ominöse sektenartige „Humanistische Bewegung“ die OK-Frequenz zur Rekrutierung ihrer Mitglieder. Außerdem ist der Sendeplatz im Kabelnetz nicht gerade attraktiv. Trotzdem konnten sich OK und die freien Radios auf eine Kooperation einigen: Seit dem 7. August hat der Landesverband einen festen Sendeplatz.

Jeden Montagabend senden die freien Funker nun unter dem Namen „Radio Pi“. Sollte sich die Sendung bewähren, kann sich auch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg vorstellen, an die Querfunker im Verbund mit dem Offenen Kanal eine terrestrische Vollfrequenz zu vergeben.

Zunächst rüsten sich die Radioinitiativen für den Bundeskongreß der freien Radios, der vom 6. bis 8. Oktober in Berlin unter dem Motto „Burn“ (Berliner Unabhängige Radio Nächte) steigen wird. Aber schon in zwei Tagen gibt es den ersten Knüller: Am Montag sendet Radio Pi den ganzen Tag live vom Gelände der Internationalen Funkausstellung – dabei soll natürlich auch kritisch über den Zweck der Funkmesse berichtet werden. Ole Schulz

Radio Pi sendet montags von 18 bis 22 Uhr, Kabelfrequenz 92,6 (OK)