Digitale Tüftelmusik

Amateurfunker verbringen den lieben langen Tag in ihren Kellern. Denn hier steht das Tor zur Welt, die Funkanlage. Erlaubtes Gesprächsthema: Das Wetter  ■ Von Heike Blümner

Routiniert schaltet Günter L. seine Funkgeräte ein. Dann lehnt sich der 78jährige entspannt im Sessel zurück und streicht sich wohlig über den Bauch: „Gehen wir mal auf die 14“, sagt er und dreht an den Knöpfen der Anlage.

Günter L. ist pensionierter Ingenieur und Amateurfunker. Funken ist sein Hobby und findet bei ihm zu Hause im Keller statt. In dem niedrigen Raum sind die Wände holzvertäfelt, und auf dem Fußboden liegt kunstrasenartiger Teppich. Auf den Regalen an der Wand stapeln sich technische Geräte, die für das Laienauge wie überdimensionale Radios und Verstärker aussehen. Dazwischen steht ein Monitor, an der Wand hängen mehrere Urkunden.

„Auf der 14“ ist im Moment leider nichts los. Das einzige, was wir hören, ist ein gewaltiges Knistern und Rauschen. „Alle auf Urlaub“, sagt Günter L. und grinst. Zu dem Rauschen gesellen sich bald die eigenartigsten Pieptöne, die Freunden digitaler Tüftelmusik sicherlich nicht uninteressant erscheinen würden. Plötzlich ist es dann doch soweit. Aus dem Äther dringt eine robotorhafte Stimme in den Hobbykeller, die eine Reihe von Nummern und Zahlen aufsagt. „Der ist aus Madrid“, bemerkt Günter L. kennerhaft und dreht schon wieder weiter am Rädchen.

Rund 77.000 zugelassene Amateurfunker gibt es in Deutschland. „Alles Verrückte“, wie Günter L. sich und seine Kollegen tituliert – mit sichtlichem Stolz, das ist unschwer zu erkennen. So wie er sitzen alle mit ihren Geräten in den dazugehörigen Kellern und funken in der Weltgeschichte herum. Bevor es jedoch soweit ist, muß der Amateurfunker, um ein solcher zu werden, eine technische Prüfung bei der Post ablegen. Erst dann ist er ein vollwertiges Mitglied einer Gesellschaft, die größten Wert darauf legt, sich von den sogenannten Funkamateuren zu unterscheiden.

Für Funkamateure, die auch CB-Funker genannt werden, reicht es nämlich aus, ein Funkgerät zu kaufen und loszuquasseln. Der Andrang ist enorm, deshalb gilt im CB-Funk das ungeschriebene Gesetz: „Wer am lautesten spricht, setzt sich durch.“ Die staatlich geprüften Amateurfunker dagegen gehen rücksichtsvoller miteinander um: Ist eine Frequenz bereits belegt, wird sich vornehmn zurückgezogen – Status verpflichtet.

London, Moskau, Sydney, überall auf der Welt sitzen die Funkfans. Was für eine verlockende Vorstellung, für drei Mark Gebühren monatlich mit dem Rest der Welt zu plaudern. Doch die Post gestattet lediglich den „Austausch über technische Daten“. Nur die gepflegte Konversation über den eigenen Standort, die eigenen Geräte und das Wetter ist erlaubt.

Ein direkter Plausch mit der Nachbarin wäre wohl auf jeden Fall spannender. Trotzdem: Die meisten Amateurfunker halten sich mit Akribie an diese Bestimmung. Nicht ein Gespräch ist das Ziel des Amateurfunkers, sondern der ultimative Funkkick. Der kommt schon allein dadurch, den Menschen am anderen Ende der Welt erreicht zu haben.

Manchmal passiert es auch, daß Funker aus Krisengebieten die letzte Verbindung zur Außenwelt haben und über die Lage der Bevölkerung nach draußen berichten. Aber die rutschen, wenn überhaupt, durch Zufall in die deutsche Hobbykelleridylle. Angepiepst und tschüß. Als Belohnung und Beweis, daß man sich die Finger wundgedreht hat, schickt man sich gegenseitig eine Postkarte zu.

Günter L. hat sein Kartenquartett komplett. Aus allen Ländern besitzt er Karten, wiederholt ist er von Vereinen mit Urkunden ausgezeichnet worden. Und das war gar nicht so einfach, denn schließlich begannen sich vor einigen Jahren viele Länder zu teilen, zu vereinigen, oder sie verschwanden gar komplett von der Landkarte.

Auch Besuch von Amateurfunkern aus Japan und Amerika hat er schon bei sich zu Hause empfangen. Dann hat er den Kollegen seine Anlage gezeigt, manchmal haben sie auch zusammen ein bißchen gefunkt. Freundschaften seien aber aus diesen Begegnungen „eher weniger“ entstanden.

Viel Zeit, viel Geld und viel Leidenschaft erfordert diese Art von Hobby. Auffällig in der Amateurfunkerszene ist, daß ihre Mitglieder zu 90 Prozent Männer sind. „Die meisten von denen sind Singles, einige haben ein Kommunikationsproblem“, erzählt der Techniker eines Funkladens. Auch Günter L. ist es schon aufgegangen, daß sich nur wenige Frauen für diese Art von Kommunikation interessieren. Pfiffig hat er sich ob dieses Phänomens seine ganz eigene These zurechtgebastelt: „Frauen haben halt woanders dran Spaß. Am Kinderkriegen zum Beispiel. Die tun mir direkt leid.“