Die APO hinter der Theke

■ Berlins einziges Apothekenkollektiv ist von Räumung bedroht. Klage vor Gericht gegen die Hausverwaltung

Die Außerparlamentarische Studentenopposition (APO) propagierte sie Ende der 60er Jahre, die Alternativbewegung realisierte sie Ende der 70er Jahre: die Kollektive. Die wenigsten haben bis heute überlebt, und wenn sich die „Aboma“-Hausverwaltung im Rechtsstreit gegen die „Apotheke am Viktoriapark“ durchsetzt, gibt es noch eins weniger. Unter diesem Namen residiert Berlins einziges Apothekenkollektiv in der Kreuzberger Großbeerenstraße – in hübschen holzverkleideten Räumen, die seit über hundert Jahren als Apotheke dienen.

Drei Männer haben das Kollektiv 1980/81 gegründet, inzwischen besteht es aus sechs Frauen, die auf wöchentlichen Kollektivsitzungen die Arbeit verteilen. „Jede macht alles“, erzählt eine von ihnen. Bis auf das Putzen, das besorgt ein Putzmann. Dafür liegt das Gehalt der Apothekerinnen ungefähr auf Putzfrauenniveau. Ihr Einkommen ist auch deshalb unterdurchschnittlich, weil ihr Angebot überdurchschnittlich ist: viel Naturheilkunde, viele Chinaheilkräuter, viel Eigenproduktion.

Nicht nur Tees mixen sie selbst, auch ihr hausgemachtes Diaphragma-Gel ist über den Bezirk hinaus bekannt. Selbst aus Zehlendorf reisen KundInnen an, weil ihre ÄrztInnen die Apotheke weiterempfehlen.

Die „Aboma Immobilien Vermittlungs- und Verwaltungsgesellschaft“ interessiert das alles nicht. Nachdem das Haus 1992 an einen hessischen Industriellen versteigert wurde, übernahm sie die Hausverwaltung. Sie möchte das Gebäude in Eigentumswohnungen aufgeteilt sehen und/oder die Miete via Neuvermietung kräftig erhöhen.

Im Mai 1993 forderte „Aboma“ die Apotheke auf, ihren mit Mitteln und Medikamenten vollgestopften Keller zu räumen oder Tausende von Mark nachzuzahlen, weil die Kellernutzung nicht im Mietvertrag aufgeführt sei.

Die scheinbare Marginalie ist jedoch eine Überlebensfrage für das Kollektiv. „Wenn wir den Keller räumen, können wir den ganzen Laden dichtmachen“, sagt eine der Apothekerinnen. Ohne Keller verlören sie ihre Zulassung bei der Apothekenkammer, weil sie nicht mehr genügend Fläche nachweisen könnten. Also zog die Apotheke vors Verwaltungsgericht, wo gestern ihre Klage gegen die „Aboma“ verhandelt wurde. Richterin Riese entschied sich indes dafür, nicht zu entscheiden, sondern noch Zeugen laden zu wollen. Sie sollen die Frage klären, ob der Keller von Anfang an mit vermietet wurde.

Drangsaliert fühlt sich das Kollektiv aber auch dadurch, daß die „Aboma“ Haustürnachschlüssel für seine Mitglieder und Lieferanten verweigerte: „Wenn wir mit der Arbeit beginnen wollen, müssen wir warten, bis jemand zur Tür herauskommt.“

Auch die Richterin fand das unmöglich: „Ein Mieter muß doch einen Schlüssel kriegen. Wie man sich darüber streiten kann, verstehe ich überhaupt nicht.“ Die Gerichtsverhandlung wird fortgesetzt. Ute Scheub