Ehrgeiz eint Arminia

In Bielefeld kann der fußballerische Ruhm nicht schnell genug kommen! Heute Pokalspiel gegen HSV  ■ Von Jörg Winterfeldt

Bielefeld (taz) – Ernst Middendorp macht sich nichts vor: Ließe man in einer Umfrage die 36 deutschen Bundesliga-Trainer zuordnen, „würde ich wohl am schlechtesten abschneiden“, glaubt der Coach des Zweitliga-Aufsteigers Arminia Bielefeld. Während sein Verein mit Geld und großen Namen protzt, hat der Ruhm, den Stars wie von Heesen, Eck, Walter oder Stein seit ihrer Verpflichtung über dem Bielefelder Klub ausbreiten, dem Trainer bisher noch nicht zuteil werden wollen.

In Bielefeld halten sie dennoch große Stücke auf den 36jährigen Trainer, der im letzten Herbst nach nur vier Regionalliga-Spieltagen den glücklosen Wolfgang Sidka ablöste und kurzerhand eine sichere Beamtenstellung als Privatschullehrer mit dem Fach Wirtschaftswissenschaften für das Fußball-Engagement aufgab. Sein Torwart Stein bescheinigt ihm „absolutes Erstliga-Niveau“ – obwohl Middendorp erst im nächsten Sommer seinen Fußballehrerschein erwerben wird, der Mittelfeldstar von Heesen gar hält ihn hinter Happel und Zebec für den besten, den er je gehabt habe.

Middendorp hat es rechtzeitig verstanden, sich Respekt zu verschaffen, „mit Gradlinigkeit und Fachkompetenz“, sagt er. „Wenn du Schwächen zeigst“, das weiß er, „ziehen sich dich übern Tisch“. Vor allem der immense Ehrgeiz eint ihn mit seinen Stars. Kaum einer in Bielefeld mag öffentlich vor dem heutigen DFB-Pokalspiel gegen den Hamburger SV die angenehme Außenseiterrolle leugnen. Intern aber gibt es keinen, der die eigenen guten Siegchancen bezweifelt. Daran haben auch Uli Steins letzte Weisheiten über die Mißstände bei seinem Ex-Klub HSV, verbreitet in Sport-Bild, nichts geändert. „Es wäre naiv gewesen zu glauben, daß einer wie er auf einmal ruhig wird“, findet der Trainer Middendorp, der sich gemeinsam mit Manager Rüdiger Lamm dafür eingesetzt hatte, daß der Klub Stein verpflichtet.

Stein (40) war in diesem Jahr der einzige renommierte Neuzugang. Mit Völler haben sie verhandelt, und mit Letschkow, erfolglos jedoch. Die anderen Einkäufe sollen entweder langfristig die Stars ersetzen oder kurzfristig den Kader verstärken, denn „Zeit“, dünkt es Middendorp, „haben wir in Bielefeld keine“. Der Manager Lamm betont, daß er die Stars nicht für die zweite Liga geholt habe, und der neue Kapitän Thomas von Heesen hält Verhandlungen über eine Nichtabstiegsprämie schlicht für „eine Frechheit“. Wie die Kollegen Eck, Stein und Walter soll er um 400.000 Mark für seine Dienste erhalten – ohne dafür, wie oft verbreitet wurde, Küchen für den Sponsor verhökern zu müssen.

Einen Etat von knapp über zehn Millionen Mark hat der umtriebige Manager Lamm dafür zusammengetragen, mit einigem rhetorischen Geschick über 100 Firmen und Institutionen, von der lokalen Bäckerei Kriemelmann bis zum Kurbad Oeynhausen, zum 10.000 Mark teuren Einstieg in den Sponsorenpool bewegt. Wenn irgendwo die D-Mark klingelt, spitzt der ehemalige Tischtennisspieler seine Schlitzohren. 1990 etwa hatte er die Aufstiegsrundenspiele zur zweiten Liga für eine Million Mark an Sponsoren verschachert, lange bevor die Teilnahme seines Klubs überhaupt feststand. Gegen Zwickau durften kürzlich 1.800 Zuschauer weniger als vorher auf die Alm, weil eine neue lukrative Rollbandenwerbung ein Fluchttor versperrte. Einen bierbrauenden Sponsor akquirierte er, obwohl Vertrag und Ausschank alkoholhaltiger Getränke gegen DFB-Statuten verstoßen. Seit der Verein von der Stadt das baufällige Stadion Alm gegen Zahlung des jährlichen Unterhalts in Höhe von 250.000 Mark gepachtet hat, fürchten vor allem die kleinen Kioskbetreiber den pekuniären Ehrgeiz des neuen Hausherrn.

Der kleineren örtlichen Tageszeitung (Westfalenblatt) sichert er gelegentlich, wie bei der Verpflichtung Steins oder des Russen Schmarow im letzten Dezember, einen Informationsvorsprung, zahlt die doch knapp über eine Million Mark für die Trikotsponsorschaft. Über den Redakteuren Neuen Westfälischen, schwebte in der Vergangenheit immer wieder die Androhung eines Stadionverbots – zu kritisch, fand der Verein, waren die Schreiber mit ihm ins Gericht gegangen.

Allergisch reagiert der Drahtzieher des Bielefelder Fußballwunders auf allzu forsche Medienformulierungen. Als Springers Welt Lamm kürzlich einen „Hang zum Größenwahn“ attestierte, sprang der schnauzbärtige Geschäftsmann erzürnt durch die Geschäftsstelle. Schließlich hatte er lediglich gehört, daß der DFB die Stadt Dortmund aufgefordert habe, sich als Spielort für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu bewerben und spontan geäußert, Bielefeld möge selbiges auch tun.

Ähnlich selbstbewußt tritt der Trainer Middendorp gegenüber dem DFB auf. Wenn der Kontrollausschuß seinen Torwart Stein am nächsten Mittwoch zu den Bestechungsvorwürfen gegenüber dem 1. FC Kaiserslautern anhören wolle, dann aber bitte schön so, daß der Termin nicht mit seinem Trainingsplan kollidiere. „Das“, sagt der Mann cool, „sollen dann eben Steins Anwälte regeln.“