„Urteile waren Unrecht von Anfang an“

■ Deserteure lehnen bündnisgrünen Kompromißentwurf ab

Bonn/Berlin (taz) – Deserteure bleiben standhaft: Ein Kompromißvorschlag der Bundestagsfraktion der Grünen zur Rehabilitierung der Opfer der Nazimilitärjustiz wird von deren Interessenvertretung abgelehnt. Grund: Die von Volker Beck, dem rechtspolitischen Sprecher der Grünen anvisierte Regelung würde zwar zur Entschädigung der Opfer führen, nicht aber zu einer pauschalen Aufhebung der Unrechtsurteile der Naziterrorjustiz. Diese hatte 50.000 Todesurteile gegen Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und „Wehrkraftzersetzer“ verhängt. Etwa 25.000 Todesurteile wurden vollstreckt, weitere Zehntausende Betroffene landeten in Gefängnissen.

Ludwig Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, schrieb jetzt an Volker Beck, daß man keiner Regelung zustimmen werde, die nicht alle Urteile „als Unrecht von Anfang an“ bewerte. Mit dem Argument, daß manche der Deserteure auch wegen zusätzlicher Straftaten verurteilt worden seien, verweigern CDU/CSU und FDP nun schon seit Jahren die unbürokratische Entschädigung und Wiederherstellung der Würde der Deserteure. Sie bestehen auf einer Einzelfallprüfung für die etwa 400 noch überlebenden Opfer der NS- Militärjustiz, weil es auch Militärrichter gegeben habe, die „sich um ein unabhängiges richterliches Urteil bemüht haben“. Zynische Begründung des rechtspolitischen Sprechers der Union, Norbert Geis (CSU): „Es kann nicht sein, daß nach 50 Jahren uns gelingt, was Hitler nicht gelungen ist, nämlich die ganze Militärjustiz zum Terrorinstrument der Nazis zu machen.“

Der jüngste Vorschlag der Grünen für einen „interfraktionellen Gesetzentwurf“ kommt nun der Bonner Koalition entgegen: Wenn die sogenannte Begleittat von „untergeordneter Bedeutung“ gewesen sei (beispielweise Diebstahl), solle vermutet werden, daß ein Unrechtsurteil vorliege. Dazu Ludwig Baumann, selbst Deserteur: „Diese Entwürdigung werden wir uns nicht mehr antun.“

SPD-Rechtspolitikerin Herta Däubler-Gmelin, für die Sozialdemokraten mit der Rehabilitierungssache befaßt, hält eine „klare, rechtlich verbindliche Regelung der Entschädigung“, zusammen mit Teilen der Unionsfraktion, für „denkbar“. Für „schwierig“ bis unmöglich hält Gmelin eine pauschale Aufhebung der Unrechtsurteile. Sollte es im September im Rechtsausschuß des Bundestages zu keiner Einigung über „konkrete Hilfsmöglichkeiten“ kommen, so Gmelin, werde die SPD auf eine öffentliche Anhörung von Historikern und Entschädigungsexperten drängen. kotte