„In Zukunft will ich weg von diesen abgekochten Gefühlen“

■ Im Gespräch: Lars Becker, Regisseur von „Bunte Hunde“

„Autodieb, Quasselstrippe, Witzbold, Lebenskünstler, gibt das Geld mit beiden Händen aus. Unzuverlässig, willensschwach, wortbrüchig, charmant und attraktiv.“ Typenschilderungen a la Lars Becker (41). Der Hannoveraner Regisseur mit Wohnsitz in Hamburg stellte in Bremen seinen zweiten Kinofilm vor. „Bunte Hunde“, eine kinowirksame Studie aus dem Autoknacker- und Knastmilieu, zeigt mehr oder weniger hartgesottene, wortkarge Gangster bei Arbeit („kaum gestohlen, schon in Polen“), Sport (Gefängnisausbruch) und Spiel (Autofahren). Vor allem aber dabei, nicht wieder in den Knast wandern zu müssen. Becker gilt nach seinem Debütfilm „Schattenboxer“ weithin als Spezialist fürs Krimi-Genre, das er – auch als Buchautor – beeindruckend konsequent gegen den Strich bürstet.

Til Schweiger spielt einen der Autoknacker. War er Deine Traumbesetzung oder nur Aushängeschild, weil sein Name seit dem „Bewegten Mann“ in aller Munde ist?

Ich habe Til Schweiger schon besetzt, als der „Bewegte Mann“ noch im Schnitt war. Ich fand ihn in „Manta, Manta“ sehr gut. Daß er jetzt ein kleiner Star ist, finde ich wunderbar, das nehme ich gerne mit.

Deine Figuren lieben große Gesten und scheuen sich, Gefühle zu zeigen. Allerhand Klischees und Nußknacker-Gebärden gab es schon bei Deinem letzten Film inklusive. Stammen Pepe Brenner, Toni Starek und Guru Freiland aus Deiner Phantasie?

Nach der Recherche gab es einen Bruch, wo ich gesagt habe: Wir machen keinen Dokumentarfilm, wir machen Kino. Meine Figuren sind Archetypen.

Was reizt Dich am Filmemachen?

Eine Geschichte zu erzählen, die eine konsistente Welt hat. Eine Welt, die man im Medienalltag noch nicht kennt.

Das wichtigste ist demnach nicht die story, sondern das Milieu?

Ja, das Milieu ist sehr wichtig. Und ich glaube nicht daran, daß man den ganzen Kram aus sich selber schreibt. Man muß Leute kennenlernen, die eine andere Sprache sprechen, die andere Ideen haben.

Für mich gab es in „Bunte Hunde“ – vorsichtig ausgedrückt – zu viele Parallelen zu „Schattenboxer“. Statt eine weitere Seite aus dem Halbwelt-Almanach zu sehen, hätte ich mir mehr Skurrilität erwünscht.

Mit der taz werde ich noch wahnsinnig! Heute ruft ein taz-Redakteur an, dem seine eigene Kritik nicht mehr gefällt. Nach der „Schattenboxer“-Kritik rief eine Woche später Mariam Niroumand an und sagte: ,Tut uns leid, daß der Film falsch gesehen worden ist!'

Undenkbar bei der Bremer Ausgabe. Ich frage mich jedenfalls, warum bei aller Subtilität der Kameraführung manche Einstellungen ziemlich platt über den Ort informieren, an dem wir uns gerade befinden.

Das sind Konzessionen, die man an ein größeres Publikum machen muß.

Deine Versuche, Dich als Schriftsteller zu etablieren, fruchten. „Amigo“ (1992, Rotbuch-Verlag) erzählt lakonisch und milieugerecht vom Leben und Sterben des gleichnamigen Ex-Terroristen. Jetzt wird das Buch in französischer Übersetzung beim legendären Pariser Verlag Gallimard erscheinen. Das passiert nicht alle Tage...

Einer der Verleger von Gallimard ist ein Alt-68er, und für seine série noire hat er zwei Leute, die den europäischen Markt abgrasen.

Du bist vermutlich der erste deutsche Autor im Krimibereich bei Gallimard...

Das hab ich gehört.

Du verfilmst Deinen eigenen Roman. Werden Emotionen in „Amigo“ für die Figuren auch bloße Zeitverschwendung sein?

In meinen beiden letzten Filmen sind die Gefühle ziemlich abgekocht gewesen, stimmt. Viele Zuschauer haben mir das auch vorgeworfen. Jetzt ist der Moment gekommen, gewagtere Sachen auszuprobieren. Ich mache schließlich keine „Rennschwein Rudi Rüssel“-Filme und sage, Kritik ist mir egal.

Fragen: Alexander Musik