Freiersfüße Ost

Im Gestrüpp deutschen Sprachgebrauchs. Dramolett  ■ Von Gabriele Goettle

Gerd: Meine erste Frau beispielsweise war eine sowjetische Jüdin, die ist 71 verstorben, hier in der damaligen DDR. Ich will damit nur sagen, ein bißchen von einer anderen Kultur habe ich schon miterlebt. Also kann ich mir doch sicher auch zutrauen, mit einer Frau aus den alten Bundesländern ... zumal ja die Sprachunterschiede wegfallen. Andererseits wirken Westfrauen, auch heute noch, sehr exotisch auf mich, etwas furchterregend. Damit entsteht dann auch ein neues Problem, hier weiß ich nämlich noch weniger, ob ich wieder mit einer Enttäuschung zu rechnen habe oder nicht. Aber bevor ich mich hier im Osten umsehe, will ich es wenigstens mal versucht haben. Vielleicht könntet ihr mir ja ein bißchen dabei helfen?

Gabriele: Gerne, nur wie?

Gerd: Also z. B. eine Anzeige zu formulieren scheint mir bereits ein Problem zu sein. Vor 'ner Weile hab ich mir eine Zeit geholt und die Partneranzeigen mal studiert, ehrlich gesagt, die sind so widerspruchsvoll ... Was soll damit eigentlich ausgedrückt werden: „Nähe und Distanz“? Erwartet sie nun ein reserviertes Verhältnis? Oder was meinen die Frauen mit „unabhängig“? Wenn sie es sind, ist das dann eine Qualität, auf die sie stolz sind, die sie logischerweise behalten möchten, aber wie geht's dann weiter?

Gabriele: Das ist eine Wissenschaft für sich, das Formulieren und Lesen von Anzeigentexten, ich hab mich mal etwas damit beschäftigt, also mit Nähe und Distanz soll in der Regel ausgedrückt werden, daß gelegentliche intensive Treffen in Ordnung sind, nicht aber ein gemeinsamer Haushalt. Ganz ähnlich ist es mit der Unabhängigkeit. In Zeitungen wie der Zeit wird damit in erster Linie wirtschaftliche Unabhängigkeit bekundet – jedenfalls von Frauen – „örtlich, zeitlich und materiell unabhängig“ ist so eine gebräuchliche Variante. Soll's genauer sein, wird die Formulierung „ohne Anhang“ verwendet, was zu erkennen gibt, daß weder Gatte noch Kinder im Schlepptau sind. Frauen, die sich als „unabhängig“ bezeichnen, haben möglicherweise Einkünfte in Form von Witwenpensionen, Abfindungen, Erbschaften, oder sie sind Geschäftsfrauen, jedenfalls ist nicht anzunehmen, daß sie ihre Besitzverhältnisse zu ihren Ungunsten verändern wollen, auch nicht im Liebesfall.

Gerd: Ist klar. Nur, warum wird das Selbstverständliche so verschlüsselt mitgeteilt?

Gabriele: Weil überall der Wurm drin ist, und alle nur das eine wollen.

Gerd: Aha, so ist das ... genau wie bei uns.

Elisabeth: Der Text will gut überlegt sein, denn du hast doch sicher auch diverse materielle Erwartungen?

Gerd: Na ja, nicht so direkt ... aber ein Häuschen dürfte sie schon haben.

Gabriele: Da erspart sie sich dann schon „örtliche und zeitliche Unabhängigkeit“. Aber wir nähern uns nun gnadenlos dem Kern der Sache: Was hast du zu bieten?

Elisabeth: Akademiker, gebildet ...

Gerd: Na ja ... sagen wir mal, unkonventionelle Ideen habe ich ...

Gabriele: Die Ideen kannst du weglassen, es reicht „unkonventionell“.

Elisabeth: Was denn für unkonventionelle Ideen?

Gerd: Nur so ein Beispiel, ich hab da unlängst die Grundrisse vom alten Marx mir noch mal vorgenommen und das war wie eine Erleuchtung, ehrlich gesagt, das liest sich mit dem Wissen, das ich heute habe, ganz anders als zu unseren Zeiten ...

Elisabeth: Mhm ...

Gabriele: Und darüber werdet ihr dann am Kamin, bei Kerzenschimmer und einem Gläschen Rotkäppchen ...

Gerd: Muß ja nicht sein, war nur ein Beispiel.

Gabriele: Ich glaube, „unkonventionell“ solltest du auch weglassen. Leisten können sich das nur Leute in eher künstlerischen Berufen, ansonsten klingt's fast schon etwas anrüchig, einseitig, ans finanziell Ungeordnete erinnernd.

Elisabeth: Oder gar an leichte Perversionsbereitschaft!

Gerd: So?

Gabriele: Aber das ist nicht die Lesart für die Zeit-Anzeigen, sondern für einschlägige Kontaktanzeigen ...

Gerd: Hab ich natürlich auch schon herumgestöbert, und da ist mir eine immer wiederkehrende Wendung aufgefallen, bei den männlichen Inserenten: „Gut gebaut“, was ist gemeint damit?

Gabriele: Der Besitz eines großen Schwanzes.

Gerd: Das überrascht mich denn doch ... So ins Detail wollte ich nicht ...

Gabriele: Natürlich nicht, du willst ja in der Zeit annoncieren ...

Elisabeth: Ja was will er denn nun eigentlich? Eine ältere Dame, alleinstehend, vermögend ...

Gerd: Klingt ja schrecklich. Das ist mir viel zu zielstrebig und Dame – es kann ja auch 'ne Frau sein. Kann ich denn nicht einfach nur schreiben, daß ich eine nette Frau suche, mit ihr einfach erst mal ins Gespräch kommen will, nicht mehr. Mal ausgehn, ein bißchen spazierenfahren, so daß man sich kennenlernt. Und ob dann Ehe oder Nichtehe, das liegt noch in weiter Ferne. So isses doch, oder?

Elisabeth: Erfrischend schlicht!

Gabriele: Vorausgesetzt, man ist grade eben dreizehn geworden.

Gerd: Nun, glaubt ihr denn, es nutzt überhaupt was, wenn ich in der Zeit inseriere?

Gabriele: Du kannst auch in der FAZ, aber da sind die Selbstdarstellungen sehr viel ernster zu nehmen. Schon die Rubrik ist deutlicher: „Ehewünsche – Partnerschaften“. „Gutsituierte Unternehmer“ suchen entsprechende Damen, die „sowohl in Jeans als auch im Abendkleid“ eine „gute Figur machen“, „repräsentieren“ können und dann auch noch „aufgeschlossen“ sind für „alles Gute und Schöne“. In der Zeit stehen Reihenfolge und Priorität wenigstens umgekehrt.

Gerd: Das ist mir schon lieber, ehrlich gesagt.

Gabriele: Aber es scheint natürlich auch nur so, wer von sich sagt, daß er gern reist, reitet, segelt ...

Gerd: Ich würde das auch gern praktizieren.

Elisabeth: Aber die Verhältnisse – sie sind nicht so ...

Gerd: Richtig! Wir müssen übrigens erwähnen, daß ich Bürger der neuen Bundesländer bin ...

Elisabeth: Sonst bekommst du Zuschriften von ostdeutschen Frauen.

Gerd: Lieber erst mal nicht! Also ich schreib jetzt ins Unreine: „Mann aus den neuen Bundesländern, möchte interessante Frau aus den alten Bundesländern kennenlernen.“ Ich schreib mal noch dahinter „Diskretion Ehrensache“!

Gabriele: Wieso das?

Gerd: Ich finde, das klingt seriös. Habe ich so gelesen.

Elisabeth: Schreib: „Will alles! Gebe mich!“

Gabriele: „Bin ehrlich!“

Gerd: Was ja ein solcher Text schlagend beweist.

Elisabeth: „Militant ehrlicher Ex- Professor ...“

Gerd: „aus der Ex-DDR ... sucht neue Zukunftsaussichten ...“

Elisabeth: „bei feinsinniger, vermögender Dame mit Haus und Garten.“

Gerd: Klingt gut.

Gabriele: Geht aber nicht. So was verstößt in der Zeit gegen die guten Sitten, Vermögen darf nur gewünscht werden mit dem Zusatz „aus paritätischen Gründen“.

Gerd: Was? Ich habe aber keins.

Gabriele: Eben. Das ist ja so hinderlich!

Gerd: Vielleicht will sie ja auch zu mir ziehen. Ich habe eine große Wohnung mit Blick auf den Tierpark, von ganz oben. An klaren Tagen kann ich über ganz Berlin ...

Gabriele: Entschuldige, aber die Frau, die du anstrebst, die zieht nicht zu dir in die Platte.

Elisabeth: Dazu ist sie viel zu feinsinnig und außerdem, ein Häusel reicht ja auch, es müssen nicht gleich zwei sein.

Gerd: So gesehen, wär's geradezu ein Nachteil, wenn ich ein Häuschen hätte.

Gabriele: Jetzt laßt doch das blöde Häuschen.

Elisabeth: Also ich würde gerne mal in einer Plattenbausiedlung leben. Das hat mich damals tief beeindruckt bei Heiner Müller, das Wasser in seiner Glühbirne, weil das Dach so undicht ist ...

Gerd: Das war zu DDR-Zeiten. Jetzt gibt es so was nicht mehr, die Dächer sind alle repariert und dicht.

Gabriele: Schön und gut, aber du stehst im Regen und weißt nicht, was du willst. In den letzten fünf Minuten hast du mehrmals deine Vorstellungen geändert, erst war's das Häuschen, um das es ging, dann sollten es lebhafte Gespräche über marxistische Grundlagentexte sein, jetzt soll die Dame zu dir in die halbleere Wohnung einziehen, aus der ihre Vorgängerin grade ausgezogen ist ...

Elisabeth: Und bei all dem hast du nicht mal Wasser in der Glühbirne.

Gerd: Stimmt, aber das wenigstens ließe sich mit einigem Geschick vielleicht machen. Die anderen Punkte ... ich laboriere daran ja schon länger, z. B. im vergangenen Winter, kurz vor Neujahr, lese ich in der Morgenpost: „Kurzfristige Partnervermittlung“ und rief gleich dort an. Es meldete sich eine Frauenstimme und sagte: „Können Sie bis 17 Uhr vorbeikommen?“ Oh, dachte ich, das klingt gut, vielleicht mußt du Silvester doch nicht einsam verbringen. Ich kam also voller Zuversicht dort rein in das Büro – es war in der Nähe des Ku'damms – alles sehr elegant. Ich wurde aber gleich desillusioniert. Die Dame wollte nur schnell einen Vertrag mit mir machen, versuchte mich unter Druck zu setzen, einmal durch die Aussicht, daß, Unterzeichnung vorausgesetzt, die erste Dame eventuell bereits um 20 Uhr zu einem Treffen bereit wäre. Gut, dachte ich mir, was sind zwei, drei Stunden. Dann aber hat mich der Preis doch abgeschreckt. Ich bin unverrichteter Dinge gegangen, obwohl sie mir vorrechnete, daß es im bevorstehenden neuen Jahr noch teurer

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werden würde. Jedenfalls sind wir auseinandergegangen und sie wollte von mir dann auch noch die Tasse Kaffee bezahlt haben, weil ein Vertrag ja nicht zustandekam ... so war das.

Elisabeth: Du überschätzt die Segnungen des Kapitalismus.

Gabriele: Eine schöne Geschäfts

idee für Existenzgründer: Partnervermittlung „Last Minute“. Der Zufall wählt, ohne irgendeine Vorgabe. Außer vielleicht der des Geschlechtes, wenn's sein muß! Anderswo wirst du teuer bezahlen für Unternehmensberatung ...

Gerd: Leider bin ich in geschäftlichen Dingen vollkommen unbegabt, deshalb brauche ich ja auch eine Frau aus dem Westen. Außerdem, seht mal, was mich bewegt, ist eben auch diese totale Beziehungslosigkeit hier bei uns im Osten. Die Leute betrachten das überhaupt nicht als Defizit, daß eines Tages nicht mehr in ihrer Zeitung stand, wie die LPG Großschauen, meinethalben, die Legeleistung ihrer Hühner mit 5,3 Prozent übererfüllt, sondern wie Schwarzenegger die gefährlichsten Szenen in seinem neuen Film ohne Double selbst gespielt hat.

Gabriele: Beide Themen lassen mich kalt.

Gerd: Ja mich doch auch! Aber das bewegt mich einfach, daß die Leute es einfach nicht zu bemerken scheinen, daß man ihnen heute auch nicht mehr zu bieten hat als zuvor.

Elisabeth: Was hat das aber alles mit den Damen zu tun?

Gerd: Darüber könnte man sich ja unterhalten.

Gabriele: Ich habe schon befürchtet, daß du mit uns übst!

Gerd: Überhaupt nicht!

Elisabeth: Ich glaube, wir müssen auch noch das Protokoll fürs erste Treffen besprechen. Erster Punkt, keine reinen Ostthemen!

Gerd: Aber die Wahrheit kann man doch sagen?

Gabriele: Also gut! Die ehrliche Annonce. Erträgst du die Wahrheit?

Gerd: Kein Problem.

Gabriele: Also: „Abgewickelter Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, promoviert, habilitiert, unkonventionell, mit oblomowschen Zügen, durch Unfall leicht entstellt und behindert, ohne Arbeit und Vermögen, mit Brille, Bart und Bauch, sucht nach mehreren gescheiterten Ehen wirtschaftlich und psychisch stabile, verständnisvolle, mütterliche Frau aus den alten Bundesländern möglichst umgehend kennenzulernen, zwecks Verbesserung seiner sozialen Lage.“

Gerd: Du übertreibst!

Gabriele: Ich untertreibe!

Elisabeth: Aber es gibt doch auch das Positive, beispielsweise die schöne akademische Laufbahn. Professor! Das ist doch schon mal gut.

Gabriele: Ist es nicht, Professor bist du nur, solange du lehrst und forschst.

Gerd: Ich hab mich nicht als Professor bezeichnet.

Elisabeth: Sag mal, was war das eigentlich für ein Unfall?

Gerd: Hab ich euch noch nicht davon erzählt? Mein Leben ist ja sehr stark beeinflußt worden davon. Ich war acht Jahre alt, als ich hier auf diesem Ohr taub wurde, dazu hatte ich einen Schädelbasisbruch und drei Augenoperationen und einige andere Kleinigkeiten. Meine Taubheit und die Gesichtslähmung habe ich bis heute, die Augensache auch. So was wirft ein Kind vollkommen aus der Bahn. Es war wahrscheinlich die Schuld meines ältesten Halbbruders, wer will das nachher noch feststellen. Er ist mit dem Motorrad auf einen Lkw aufgefahren und dabei tödlich verunglückt.

Gabriele: Und du?

Gerd: Ich saß hinten drauf – jedenfalls im Moment des Aufpralls noch –, dann wurde ich mit aller Wucht gegen den Lastwagen geschmettert. Aber über das alles haben sich die gütigen Schleier des Vergessens gelegt, ich weiß nichts mehr. Ich war so schwer verletzt, man hatte mich schon aufgegeben. Und als ich's dann doch schaffte, hätte ich nach dem Standpunkt der Ärzte allenfalls noch Gärtner werden können. Vielleicht bin ich deshalb Professor geworden ... gewesener ... Und es war ja noch weitergegangen, das, was man so das Schicksalhafte nennt – darf ich das eben noch schnell erzählen?

Elisabeth: Wir bestehen darauf!

Gerd: Es war nämlich so, daß an diesem 12. Dezember 1951 auch der allererste Kontakt mit meinen Großeltern stattfand – bis dahin hatten sie mich als uneheliches Kind ihres Sohnes nicht anerkannt. Auf meinen Großvater, ehemaliger Oberst in Görings Reichsluftfahrtministerium, war ich mächtig stolz. Er soll zu mir gesagt haben: „Du hast zwei extrem unterschiedliche Linien, eine proletarische und eine nichtproletarische. Mach was draus!“ Und das ist die List des Schicksals: Ich hab was draus gemacht, durfte studieren und wurde Professor, ein Mitglied der sogenannten Intelligenzia. Dann, hops, der Spuk ist vorbei, mein Institut weg, mein Staat weg, meine Frau weg und – jetzt kommt's – ich, ein Mitarbeiter der Treuhandanstalt! Jeden Morgen trat ich in den Paternoster, fuhr in mein Büro hoch und mußte daran denken, daß mein Großvater wahrscheinlich auch jeden Morgen diesen Weg nahm, vielleicht saß er sogar in meinem Büro oder wenigstens auf meiner Etage. Ihr werdet zugeben, daß es Grenzen der psychischen Belastbarkeit gibt. Ich saß da plötzlich in diesem historisch zentralen Gebäude – zu DDR-Zeiten „Haus der Ministerien“, im Faschismus Reichsluftfahrtministerium – und wickelte für den westlichen Nachfolgestaat des Dritten Reiches den östlichen mit ab ... Treuhandmitarbeiter ich!

Gabriele: Sie haben dich ja dann auch bald entlassen.

Gerd: Ich war's aber! Trotz Überprüfung durch die Gauck-Behörde, das war also nicht so sehr der Grund. Nee, nicht irgendwelche vermuteten Stasi-Kontakte spielten die Hauptrolle, die Treuhand wollte auf unsere Stellen Fachkräfte aus dem Westen setzen, die fand man wohl zuverlässiger.

Gabriele: Aber den Treuhandjob willst du doch nicht in der Anzeige erwähnen, oder?

Gerd: Na, auf keinen Fall!

Elisabeth: Das ist was für intime Stunden, da kann man dann gestehen, daß man auch nur ein Spielball der Geschichte ist.

Gerd: Ihr habt mich ja gefragt.

Elisabeth: Jedenfalls, auf deine proletarische Herkunft kannst du dich nun nicht mehr groß stützen.

Gabriele: Auf die andere auch nicht! Wie würde denn das klingen: „Mann mit sozialistischer Vergangenheit, zählte zur proletarischen Intelligenz, ist Enkel eines hohen Nazi-Offiziers, sucht eine weltoffene Dame aus dem Westen.“

Gerd: Schrecklich! Das soll ich sein?

Elisabeth: Woher sollen wir es wissen, wenn du's nicht mal weißt?

Gabriele: So, jetzt wieder im Ernst: „Junggebliebener Wissenschaftler (Mitte 50) aus den neuen Bundesländern, promoviert, habilitiert (Nationalökonom und Soziologe) wünscht alleinstehende, gebildete Frau aus dem Westen kennenzulernen.“

Gerd: Mir gefällt der Nationalökonom nicht, lassen wir den doch weg.

Elisabeth: Zumal ja die dazugehörige Nation auch weg ist, nennen wir ihn doch einfach einen Akademiker.

Gerd: Warum nicht.

Gabriele: Das ist sehr mißverständlich, die meisten Inserenten, die sich als Akademiker bezeichnen – und das gilt für Zeit und FAZ, übrigens auch für die Süddeutsche –, sind durch die Bank Lehrer, also Schullehrer, nicht Hochschullehrer.

Gerd: Aber warum sagen sie es nicht? Was ist schlecht an einem Lehrer?

Gabriele: Was ist schlecht an einer Kuh? Weshalb habt ihr DDR-Bürokraten das arme Tier „rauhfutterverzehrende Großvieheinheit“ genannt?

Gerd: Du hast recht, ja, RGV ..., da muß ich passen.

Elisabeth: Ich sage nur: „Es wird plaziert!“

Gerd: Mir läuft es kalt den Rücken runter.

Gabriele: So geht's vielen mit dem Lehrer auch. Also, Akademiker lassen wir lieber, sagen wir doch: Volkswirt. Das klingt neutral.

Gerd: Lieber gelte ich als Lehrer ...

Elisabeth: des Volkes ...

Gabriele: statt als Wirt des Volkes.

Gerd: Ihr nehmt mich auf den Arm, das ist nicht fair!

Gabriele: Du kannst auch in der Süddeutschen, das wäre vielleicht gar nicht schlecht ... ich wollte ja mal was schreiben über die Heiratsanzeigen in diesen drei Zeitungen und der Anlaß dafür war eine Anzeige, die ich in der Süddeutschen fand, warte, ich krieg' sie noch zusammen: „Erbschleicherin sucht Erben zum Umschleichen.“ Das hat mich sehr gewundert, daß sie die brachten. Bei näherer Nachforschung hat sich dann was Komisches herausgestellt, die Hanseaten achten, ganz protestantisch, auf die Geldmoral, während die katholischen Bayern auf die Sexualmoral den größeren Wert legen. Also eine in materieller Beziehung etwas anrüchige Anzeige bekämst du in der Süddeutschen eher unter...

Gerd: Das muß ja nicht sein und überhaupt, Bayern ist weit!

Gabriele: Also los jetzt, sonst vergreisen wir noch über deinem Liebesleben, schreib: „Humorvoller, gebildeter Ostdeutscher, Mittfünfziger, promoviert, habilitiert, lebenserfahren, sucht auf diesem Wege liebenswürdige, selbständige Frau aus dem Westen kennenzulernen.“

Elisabeth: „Damit zusammenwachse, was zusammengehört!“

Gabriele: Gefällt dir das so, oder soll's deutlicher sein?

Gerd: Nee, klingt nicht schlecht.

Elisabeth: Klingt gut! Da möchte man doch gleich hinschreiben, aber es fehlt an der Liebenswürdigkeit ... dem Humor ...

Gabriele: Den Humor hat doch er!

Gerd: Wirklich? Also mir gefällt der Text, nur ein Bedenken hab ich noch.

Gabriele: Na?

Gerd: Sollten wir statt „Frau“ nicht lieber „Dame“ schreiben?