Der Castor rockt

Mit einem zweitägigen Benefizkonzert startet der Protest gegen den zweiten Castor-Transport  ■ Aus Gartow Jürgen Voges

Auf einem Anhänger rechts neben der Bühne steht der Castor. Dort halten sich auch Sanitäter mit ihren Bahren bereit. Oben auf der Bühne zeigt Campino, Sänger der Toten Hosen, daß er genausowenig Schiß hat wie seine viertausend jungen Fans aus dem Wendland. Denn heute ist der Castor aus Sperrholz. Und egal ob auf jeden zehn Polizisten zur Bewachung kommen, der Protest gegen die Atomtransporte nach Gorleben geht weiter. Grund genug für Campino, zum Benefizkonzert nach Gartow zu kommen. Hier springt er hart singend oder schreiend auf der Plane der Bühne herum. „Auf dem Bahnhof in Lüneburg habe ich heute the Lord Elvis getroffen. Er hat mir gesagt: Junge, ich bin auch gegen dieses Atomlager“, ruft der struwwelhaarige Frontsänger aus, und los geht's. „Wünsch dir was“, ein Song über die Zeit, „in der das Wünschen noch geholfen hat“. Die Bahren werden am Ende wirklich gebraucht. „Macht es gut und haltet durch“ wünschen die Toten Hosen. Die Sanitäter haben da schon ein gutes Dutzend verzückt erschöpfter Kids abtransportieren müssen.

„Stay rude – stay rebel“, so lautet das Motto des zweitägigen Benefizkonzerts, das die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg und der Kulturverein Platenlaase gegen den Castor organisierten. 24 Bands sagten zu. Alle verzichten auf ihre Gage. Ein gelungener Auftakt für die Kampagne gegen den zweiten Castor-Transport. Immerhin hatten die Rheinisch- Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) noch am Samstag erneut klargestellt, daß dieser Transport mit hochradioaktivem Müll aus dem AKW Gundremmingen weiterhin für den Oktober geplant ist.

Gesundheitstips gegen den Castor-Transport

Grund genug für die Wendländer, auf dem Benefiz-Festival den Protest zu schüren. Rund 22 Hektar Stoppelacker, die dem Landwirt Fritz von Blottnitz gehören, sind umrahmt von Ständen oder Zelten. Biobäcker haben vorsorglich für Nahrung und Getränke für maximal achttausend Besucher gesorgt. Doch das Wetter will nicht mitspielen: Regen am Samstag morgen, ein heftiger kalter Wind bringt später sogar die Bühne bedrohlich ins Wanken.

Schließlich präsentieren sich auch die Castor-Gegner selbst. Die „Bäuerliche Notgemeinschaft“ will sich selbstverständlich auch beim zweiten Transport mit Traktoren querstellen. Die Drohung des niedersächsischen Innenministers, beim nächsten Mal die Trecker zu beschlagnahmen, hat die sturen Bauern „nur angestachelt“. „Das geht an unsere Ehre“, meint Bauer Hans Zachow. Die Initiative der schon ergrauten Aktivisten der Bürgerinitiative „60 Plus“ will im Oktober „in der ersten Reihe vor dem Castor auf der Straße sitzen“. Und die wendländische Ärzte-Initiative will ihren Patienten vor dem Transport noch per Zeitungsannoncen einige Tips geben: „Die beste Gesundheitsvorsorge ist es, auf die Straße zu gehen und sich gegen den Castor zu wehren.“

Die Band „Starfish“ bringt dann am Sonntag mittag mit gutem altem Rock-Pop das Festival wieder in Stimmung. Bis in den späten Abend soll es noch gehen, die Lieblinge der etwas Älteren, Inga Rumpf, Ulla Meinecke und etwa auch Wolf Maahn, stehen noch aus. Für die IPPNW, für die Ärzte gegen Atomkrieg, faßt derweil Hayo Diekmann im Infozelt die neuesten Erkenntnisse zu den Strahlenrisiken der Castor-Transporte zusammen. Schon seit Jahren gehe auch die internationale Strahlenschutzkommission davon aus, daß die schädliche Wirkung von Neutronenstrahlen um ein Vielfaches höher sei als bisher angenommen.

Diese Neubewertung betrifft die Polizisten, die Transporte begleiten, aber auch die Anwohner entlang der Transportstrecke. Auch bei der Klage gegen die neue Genehmigung für das Zwischenlager spielt diese Neubewertung eine Rolle. Daß die Klage noch einmal Luft für andere politische Entscheidungen bringt, hofft die Rechtshilfe Gorleben, für die Lilo Willny spricht. Im Laufe der Jahre sind über die Rechtshilfe schon 500.000 Mark Spenden für Verfahren gegen die Wendländischen Atomanlagen ausgegeben worden. Die Benefiz-Gruppen haben an diesem Wochenende auch für diese Initiative gerockt. „Schluß mit dem Wahnsinn“, fordern alle Musiker in einer gemeinsamen Erklärung: „Weil es keinen Platz gibt für den Jahrtausende strahlenden Müll, wird das hochgiftige Material zwischen Atomkraftwerken, Wiederaufarbeitungsanlagen und Zwischenlagern hin- und hergeschoben.“ Da sehen auch die Künstler nur einen Ausweg: „den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie!“.