Regierungswechsel nach Art der PDS

■ Die Demokratischen Sozialisten vor der Berliner Wahl: Zerstritten und ohne Profil

berlin (taz) – Wahlkampfleiter Jens-Peter Heuer ist nervös. Seit einer halben Stunde sitzen rund 400 PDS-Genossen artig auf ihren Stühlen und warten darauf, daß es losgeht. Doch der Wahlkampfauftakt der Berliner PDS verzögert sich am Freitag abend. Es gibt keinen Strom. Als die Mikrofone endlich einsatzbereit sind, dürfen die geladenen Basisgruppenvorsitzenden vier Reden lauschen. Diskutiert wird nicht mehr, politisch-moralische Stärkung ist angesagt. „In Berlin ist die PDS eine Macht“, ruft der Bundesvorsitzende Lothar Bisky seinem Parteivolk zu. Und dies gilt es bei der Berliner Wahl am 22. Oktober unter Beweis zu stellen. Immerhin will die PDS in Ostberlin wieder 35 Prozent der Wählerstimmen erlangen und damit zur drittstärksten Partei in der Hauptstadt werden. Derzeit liegt die Partei in Umfragen noch weit hinter dem gesteckten Ziel.

Berlin ist jedoch nicht nur die Hochburg der Partei, hier kumulieren gleichzeitig auch all ihre Widersprüche. Noch vor wenigen Wochen wechselte die PDS ihre Werbeagentur. Noch Anfang letzter Woche konnten die Genossen sich auf keinen zentralen Wahlkampfslogan einigen. „Weil es um mehr als einen Regierungswechsel geht“, soll es jetzt auf den Plakaten heißen.

Unüberhörbar sind gleichzeitig die Stimmen, die dem Landesvorstand mangelndes Engagement für die Basis vorwerfen. Selbst Lothar Bisky kritisierte das Wahlprogramm seiner Berliner Genossen, weil es nicht das Lebensgefühl der Ostberliner ausdrücke. Denn während die Berliner PDS-Spitze sich gerne als radikal linke Oppositionspartei präsentieren will, profiliert sich die Basis in den Ostberliner Bezirken als Verfechterin Ostdeutscher Interessen.

In vielen Ost-Bezirken ist die PDS stärkste Fraktion. In den Plattenbausiedlungen am Ostrand der Hauptstadt geben nicht ideologieverliebte alte Kader den Ton an, sondern junge, selbstbewußte und pragmatische Genossen. Und die wollen in Berlin-Hellersdorf bei den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen einen PDS-Bezirksbürgermeistersessel ergattern. Eine „Gegenmacht zur Landespolitik“ will der derzeitige Hellersdorfer Sozialstadtrat Uwe Klett als möglicher Bürgermeister aufbauen.

Den Westteil der Stadt hat die PDS eh abgeschrieben. Unter den knapp 500 Westberliner Genossen toben seit Monaten ideologische Grabenkämpfe. Nur in Kreuzberg, wo die PDS bei den Bundestagswahlen 7,5 Prozent der Stimmen erzielen konnte, hofft sie als Sammelbecken für die Reste der radikalen Linken erstmals auch in ein Westberliner Kommunalparlament einziehen zu können.

Dabei ist das Programm der PDS wenig originell. Sie fordert den ökologischen und sozialen Umbau der Stadt. Das macht in Berlin inzwischen jede Partei, die etwas auf sich hält. Den Hauptstadtvertrag mit Bonn will die PDS kündigen. Ansonsten hat man sich auf soziale Themen konzentriert. Schließlich haben Umfragen ergeben, daß PDS-Wähler vor allem auf die soziale Kompetenz der Partei setzen. Arbeit her, Renten rauf, Frauen vor, so lassen sich die Parolen der PDS zusammenfassen.

Und dann ist da noch Gregor Gysi, das wichtigste Zugpferd im Wahlkampf. Rund dreißig Mal wird der PDS-Star in den Landeswahlkampf eingreifen. Auch am Freitag abend in Adlershof ist der Vorsitzende der PDS-Bundestagsgruppe gefeierter Redner. Doch Landespolitik ist seine Sache nicht. Gregor Gysi kommt schnell zur Sache und präsentiert seinen Genossen das einigende Feindbild. Die Wahl im Oktober soll ein „Signal gegen Bonn“ werden. Schließlich seien dies die einzigen Wahlen in den neuen Bundesländern vor den Bundestagswahlen 1998.

Wahlkampfleiter Jens-Peter Heuer weiß um die Gefahren eines auf Gregor Gysi fixierten Wahlkampfs. schließlich hätten schon viele PDS-Wahlkämpfer die frustrierende Erfahrung gemacht, daß nur er die Massen mobilisiert. „Kommt Gregor nicht, kommt keiner“, ist ein beliebtes Motto an der Basis. Die ersten zehn Kandidaten der Berliner Landesliste können das auch nicht ändern. Sie geben ein zu beredtes Beispiel für die Zerstrittenheit der Berliner PDS. Immerhin lehnen es sechs von ihnen strikt ab, unter dem zentralen Slogan der PDS in den Wahlkampf zu ziehen. „Weil es um mehr als einen Regierungswechsel geht“? Christoph Seils