Heim ins Reich

■ Tudjman will Exilkroaten in der Krajina ansiedeln

Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić kündigte sein Vorhaben öffentlich an. Srebrenica sei eine serbische Stadt, befand er im Juli und gab den Muslimen 48 Stunden Zeit, den Ort zu verlassen. Pünktlich standen zwei Tage später die Busse bereit, um die Frauen und Kinder zu evakuieren. Einige tausend Männer werden seither vermißt, möglicherweise sind sie in Massengräbern verscharrt. Srebrenica ist jedenfalls nun ethnisch sauber.

Vier Wochen später, Anfang August, ließ der kroatische Präsident Tudjman seine Truppen in die Krajina einmarschieren. Zwar forderte er die Serben stündlich über Rundfunk auf zu bleiben, aber ansonsten tat er alles dafür, daß sie gingen. Er trat in Uniform auf, pflanzte kroatische Fahnen, ließ kyrillische Buchstaben überpinseln und gab bekannt, welche Fluchtwege offen seien. Mag sein, daß die Serben von den eigenen Milizen zur Flucht aufgefordert oder gar gezwungen wurden. Mag sein, daß sie der Propaganda ihrer Führung aufsaßen und einen Genozid befürchteten. Mag sein, daß ein kollektives Schuldgefühl wegen der Vertreibung der Kroaten vier Jahre zuvor eine Rolle spielte. Doch zeigte das rabiate Vorgehen der kroatischen Armee im nachhinein allemal, daß es gute Gründe gab, zu fliehen. Jedenfalls ist die Krajina nun sauber – wie Srebrenica.

Das Problem wäre also gelöst – wären da nicht die Flüchtlinge. 150.000 Krajina-Serben flohen nach Serbien, wo es schon 563.000 Flüchtlinge gibt. Der serbische Präsident Milošević will sie zum Teil in den albanisch besiedelten Kosovo bringen, um diesen zu serbisieren. Kroatien scheint das gegenteilige Problem zu haben. Es mangelt an Flüchtlingen, jedenfalls an solchen, die in der Krajina leben wollen. Viele der 1991 vertriebenen Kroaten werden zwar in ihre Heimat zurückkehren. Aber offenbar zu wenige, um die geflüchteten Serben zu ersetzen. Also ruft Tudjman die Exilkroaten in Australien, Kanada und anderswo und verspricht ihnen Land. Die Vertreibung der Serben soll zementiert werden.

Nur ethnisch homogene Gebiete bilden die Grundlage für einen dauerhaften Frieden, lautet die Botschaft. Sie ist menschenverachtend, weil sie die moralischen und auch die politischen Rechte von 4,5 Millionen vertriebenen Südslawen leugnet. Sie ist zudem trügerisch, weil die völkische Lösung immer den Keim der Revanche, also den Keim neuer Kriege in sich birgt. Ohne den Flüchtlingen zu ihrem Recht auf Rückkehr zu verhelfen, wird es auf dem Balkan keinen stabilen Frieden geben. Thomas Schmid