Atomarer Nahkampf ohne Waffen

■ 26 Friedensschiffe treffen 15 Kriegsschiffe vor Moruroa. Greenpeace will per Hubschrauber zum Testschacht

Papeete/Berlin (taz) – In der Woche vor dem geplanten Atomtest der französischen Regierung wird der Ton in Polynesien schriller. Das französische Militär warnte Greenpeace gestern, nicht in die französischen Hoheitsgewässer vor Moruroa und Fangataufa einzudringen. Der Kommandeur der französischen Streitkräfte in Polynesien, Philippe Euverte, sagte, er sei fest entschlossen, die Sicherheit des Testgeländes zu gewährleisten. Die Tests würden auch durchgeführt, wenn sich Atomtestgegner in der Lagune aufhielten. Französische Atomtechniker haben auf dem Atoll bereits einen zündfertigen Atomsprengsatz in einen Schacht herabgelassen.

Vor dem Moruroa-Atoll kreuzen 15 französische Kriegsschiffe, die offensichtlich etwaige Eindringlinge aufbringen sollen. Eine „Friedensflotte“ von 26 Schiffen steuert das Atoll an. Die Besatzung des Greenpeace-Schiffs Rainbow Warrior II kündigte an, auf jeden Fall die französische Blockade durchbrechen und in die Lagune des Atolls eindringen zu wollen. An Bord des Greenpeace-Schiffs „Greenpeace“ befindet sich ein Hubschrauber, mit dem die Umweltschützer direkt am Testschacht landen wollen.

Militärkommandeur Euverte hatte in der Nacht zum Sonntag dem dritten Greenpeace-Schiff, der Vega, ein Warnschreiben übergeben lassen, in dem es heißt, die französische Marine werde mit allen Mitteln sicherstellen, daß Chiracs Atombombe planmäßig gezündet werden kann.

Unterdessen gingen die weltweiten Proteste gegen die französischen Atomtests weiter. Am Sonntag rief der israelische Umweltminister Jossi Sarid die Regierung in Paris zu einem Verzicht auf die Tests auf. Währenddessen versuchten Greenpeace-Anhänger, die Dächer der französischen und chinesischen Botschaft in Tel Aviv zu besetzen. In Papeete demonstrierten am Samstag 4.000 Atomtestgegner. „No roto mai au i te fenua“ („Wir kommen von der Insel, die Gott uns geschenkt hat“), sangen 4.000 Menschen immer wieder. „Sie ist unser Leben, sie behüten wir.“ Die Evangelische Kirche in Französisch- Polynesien hatte zu der Demonstration aufgerufen. Sie zeigte allerdings auch das Dilemma des tahitianischen Widerstandes gegen die Atomtests: Die Opposition ist vollkommen zerstritten. Die Unabhängigkeitspartei, die vor einigen Wochen gemeinsam mit allen anderen Atomtestgegnern 10.000 Demonstranten auf die Straße brachte, wird von vielen als zu radikal abgelehnt. Sie fürchten – sicher zu Recht – das Versiegen des Geldstroms aus Frankreich, umgerechnet immerhin etwa 1,5 Milliarden Mark im Jahr. Auch die eigenmächtigen Aktionen des Chefs der Unabhängigkeitsbewegung, Oscar Temarus, wie die Straßenblockaden bei der letzten Demonstration, haben andere oppositionelle Gruppen gegen ihn aufgebracht. Die Organisation Hiti Tau zum Beispiel, die für die Rechte der Polynesier und gegen die Atomtests kämpft, will sich da völlig heraushalten, da sie mit Politik und vor allem mit den Parteien absolut nichts zu tun haben will. lieb/ten

Die taz wird in den kommenden 10 Tagen täglich auf einer Seite über die geplanten französischen Atomtests berichten. Heute Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10