: Polizei, dein Freund und Räuber
Hauptkommissar raubte mit vorgehaltener Dienstwaffe Banken aus, um seine Spielsucht zu finanzieren. Beim dritten Mal ging alles schief ■ Von Peter Lerch
„Ich hab' mein Geld verspielt und wußte nicht mehr weiter“, erklärte der 41jährige Lutz G. gestern am ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft legt dem Hauptkommissar drei Überfälle auf Geldinstitute zur Last. Dabei ging er, so die Anklageschrift, immer auf die gleiche Weise vor: Mit Mütze, Sonnenbrille und Schal vermummt, bedrohte er die Bankangestellten und schob ihnen jeweils einen Zettel mit der Aufschrift „Dies ist ein Überfall“ zu.
Auf diese Weise soll der Angeklagte im November 1993 in der Deutschen Bank in der Rathausstraße in Mariendorf 24.000 Mark und Ende Februar 1995, in der Berliner Bank am Steglitzer Damm, 9.640 Mark erbeutet haben. Bei seinem dritten Überfall im März 1995, ebenfalls auf eine Zweigstelle der Berliner Bank am Tempelhofer Damm, ging alles schief. Zwar händigte ihm die Kassiererin 14.100 Mark aus, schlug ihm dann aber die Pistole aus der Hand. Weil die Waffe hinter den Schalter fiel, mußte der räuberische Hauptkommissar seine SIG- Sauer am Tatort zurücklassen.
Durch die Seriennummer der Dienstwaffe wußte die Kripo wenig später, daß sie es mit einem Kollegen zu tun hatten. Am frühen Abend schnappten sie Lutz G., der gerade 4.000 Mark der Beute am einarmigen Banditen im Hotel Steigenberger verzockt hatte.
Der gepflegt wirkende Mann im anthrazitfarbenen Anzug bemühte sich, dem Gericht seine beständige Sorge um das Wohl seiner zwei Adoptiv- und vier Pflegekinder nahezubringen. Die Pflegekinder, die alle von schwer alkohol- oder drogenabhängigen Müttern stammten, galten als schwerbehindert. Der Richter mochte dem Angeklagten sein soziales Engagement aber nicht recht abnehmen.
Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, wieviel Geld man denn für ein Pflegekind bekomme, mochte der Ex-Schupo sich zunächst nicht erinnern. Erst auf Drängen des Richters – „Sie werden doch wohl wissen, wieviel man Ihnen für ein Pflegekind bezahlt“ – gab der Angeklagte zu, daß es wohl so um die 1.800 Mark seien. Zusammen mit seinem Gehalt hatte der Beamte somit monatlich mehr als 12.300 Mark zur Verfügung.
Wohl nur deshalb fiel seine Leidenschaft fürs Zocken über mehrere Jahre nicht auf. Selbst seine Frau erfuhr erst bei seiner Festnahme von der Spielsucht ihres Mannes, der bei verschiedenen Banken 200.000 Mark Kredit aufgenommen haben will.
Vor Gericht erzählte er gestern, daß er von den einarmigen Banditen fasziniert war und zuletzt jeden Tag mehrere Stunden im Kasino gesessen habe. Daß er in den Teufelskreis der Spielsucht geraten war, will er erst bemerkt haben, als er erstmalig 80.000 Mark Kredit aufnehmen mußte.
Lutz G., der nach seinem Eintritt bei der Schutzpolizei eine Blitzkarriere gemacht und es innerhalb von fünf Jahren zum Hauptkommissar gebracht hatte, wurde von seinen Vorgesetzten als „stets engagierter Mitarbeiter bezeichnet, der weder dienstlich noch privat negativ aufgefallen war.
Seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Barbara Merkel, bezeichnete den Angeklagten in einer Verhandlungspause als „Vater, wie man ihn sich nur wünschen könne“ und hofft auf verminderte Schuldfähigkeit.
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