Stell dir vor, es geht und die Zivis kriegen's hin Von Mathias Bröckers

Eine „Generation von Egoisten“ sei herangewachsen – so hat die Wehrbeauftragte des Bundestages, Claire Marienfeld, die Rekordzahl an Kriegsdienstverweigerungen kommentiert. Damit hat die Wehrbeauftragte gezeigt, daß auch ein weibliches Gehirn jederzeit zum dumpfen Kommißkopf taugt. Was es mit Egoismus zu tun haben soll, wenn ein Jugendlicher den „Dienst“ in Altenheimen oder Sozialeinrichtungen einer Ausbildung zum Scharfschützen vorzieht – dies zu erklären, hat die „Mutter der Kompanie“ verabsäumt.

Gott sei Dank, denn außer paranoischen Beschwörungen von „Wehrwillen“ über „Kampfbereitschaft“, alten Frontkämpfer-Tiraden bis hin zum zivilen „Drückeberger“ und „Feiglingen“ wäre dabei nicht herausgekommen. Daß sich die Soldaten-Mutter mehr kampfbereiten Nachwuchs wünscht, mag ihr Job sein. Daß sie aber diejenigen als Egoisten denunziert, die von ihrem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machen, indem sie den nationalen Schießbefehl verweigern, überschreitet die Kompetenz einer „Wehrbeauftragten“.

Es ist gerade 50 Jahre her, daß „Volkssturm“-Beauftragte als letztes Kanonenfutter Kinder und Jugendliche an die Front warfen. Daß ein Drittel der Enkelgeneration der damals Entkommenen keine Waffen mehr anrühren will, ist daher kein „gesellschaftliches Problem ersten Ranges“ (Marienfeld) – es zeigt nur, wie langsam evolutionäre Prozesse laufen: Nach zwei Weltkriegen in der jüngsten Geschichte sind immer noch zwei Drittel der jungen Deutschen bereit, auch bei einem dritten wieder mitzumischen.

Den „Zivis“, die aus der Geschichte ihrer Großväter heute Konsequenzen ziehen, wäre es ein leichtes, der forschen Wehrbeauftragten über's Mundwerk zu fahren: sie müßten nur alle ein paar Tage streiken. Die soziale Versorgung bräche zusammen: Vom „Essen auf Rädern“ bis zum Behindertensport, von der Krankenpflege bis zum Landschaftsschutz – ohne die Legionen der Zivis geht heute nix mehr.

„Ja, aber nur mit Zivildienst ist es auch nicht getan, Menschenrechte müssen weltweit auch militärisch verteidigt werden, und wir müssen unseren Beitrag dazu leisten“, funkt es da vom Stahlhelm- Ausschuß der Oliv-Grünen/Militär-Bündnis 90 dazwischen. Auch was die Diskussion um den deutschen Beitrag an UNO-Einsätzen angeht, leisten die Zivis Vorbildliches: Ersatzdienst. Als Ersatz für die aus guten Gründen (und zumal auf dem Balkan) unmöglichen deutschen Kriegshandlungen könnte unendlich viel getan werden: nationaler Zivildienst. Und dies so lange, bis sich die Bundeswehr auf ein paar Bataillone der künftigen Weltpolizei dezimiert hat. Es reicht nicht, über das Versagen der UNO zu lamentieren, man muß es auch analysieren: Solange nationale Armeen und allgemeine Wehrpflicht bestehen, solange ist jede globale Eingreiftruppe überall zum Versagen verurteilt. Der Colt des Sheriffs hat erst Autorität, wenn die lokalen Banditennester entwaffnet sind – was für den Wilden Westen galt, gilt auch für die wilde Welt. Und wie entwaffnet man die? Daß einer ihrer mordwütigsten Haufen, die Deutschen, zunehmend die Finger von der Knarre läßt und statt dessen Zivildienst leistet, ist eine der besten Nachrichten seit langem ...