Der Mitnahmeeffekt

■ Auf der IFA machen die Sender Fernsehen zum Aufsetzen

Fernsehen hat etwas mit Distanz zu tun. Irgendwo in der Ferne, in Mainz oder München, in Baden-Baden oder Berlin, sitzen einige wenige Menschen in ihren abgedunkelten Studios und machen ein Programm für ganz viele Menschen in ihren ebenfalls abgedunkelten Wohnzimmern. Fernsehen hat aber auch etwas mit Nähe zu tun. Mit der scheinbaren Aug- in-Aug-Kommunikation, die der Teleprompter so perfektioniert hat, und mit jenem vertraulichen „Guten-Abend-meine-Damen-und Herren“, das Ulrich Wickert allabendlich zu uns aussendet.

Wir sehen uns also und sehen uns auch wieder nicht. Das ist das Prinzip „Fernsehen“ – und nur selten wird es unterbrochen. Bei der Internationalen Funkausstellung zum Beispiel, wo Sender und Empfänger sich tatsächlich einmal begegnen können, wo die Distanz scheinbar aufgehoben ist, die virtuelle Beziehung sich in die niederen Sphären der konventionellen Begegnung herabbegibt.

Über hunderttausend Münchner, Mainzer und Berliner sind allein am vergangenen Wochenende der Einladung gefolgt, haben ihre Bildschirme verlassen, um das Fernsehen einmal anzufassen. Und die Sender empfangen die Empfänger mit offenen Armen und kleinen Gastgeschenken. Vor allem die Baseballkappen (nicht nur zum Anfassen, sondern sogar zum Aufsetzen!) finden dieses Jahr reißenden Absatz. Aber auch die praktischen Papiertaschen (im 16:9-Breitwandformat) gehen gut. Erstaunlich häufig sah man dieser Tage auch die hellbeigen Tragetüten des neuen Fernsehsenders TM3. Überall wollten sie deutlich machen: „Sehen Sie! Es gibt uns. Sonst gäbe es doch diese Taschen nicht.“

In Halle 18 flimmert tonlos das TM3-Programm am kleinen IFA- Stand des Senders über einen der vielen Bildschirme. Davor steht eine freundliche Hostess (höchstwahrscheinlich eine Berliner Aushilfsangestellte), die Taschen verteilt und gute Laune verbreitet. Bislang ist die Beziehung zwischen TM3 und seiner Zielgruppe äußerst brüchig. Außerhalb der Bayerischen Sendegrenzen ist das Programm nämlich noch gar nicht zu empfangen. Die Einspeisung in die Kabelnetze von NRW und Hessen läßt noch auf sich warten, und wer hier in Berlin über die IFA schlendert, kann schlechterdings nicht gleichzeitig in München sitzen und TM3 gucken. Da ist die Distanz dann doch zu groß, als daß wir so weit fernsehen könnten.

So müssen also die praktischen Tragetüten bis auf weiteres das fehlende Programm ersetzen. Aber auch Ulrich Wickert ließ sich vertreten. Von einer Schirmmütze im modischen ARD-Blau. Fernsehen zum Aufsetzen. Klaudia Brunst