■ Kommentare
: Der Vatikan will Pekinger Weltfrauenkonferenz beeinflussen i "Schutzherr" JP II

Es gibt viele Sätze im Text der Aktionsplattform für die Weltfrauenkonferenz in China, die bisher in Klammern stehen. Es geht um jene Passagen, bei denen es Dissens gibt unter den Teilnehmerinnen. Und die meisten dieser Einklammerungen betreffen den Körper und das Selbstbestimmungsrecht der Frauen in dieser Frage. Der Vatikan möchte in Peking, wie das schon anläßlich der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo geschah, die entscheidende Rolle spielen: den Ablauf der Arbeiten bestimmen und die Schlußdokumente der Konferenz beeinflussen. Schließlich stehen hinter dem Zwergstaat vom Tiber immerhin ein Dutzend ansehnlicher Bevölkerungsgiganten vor allem aus Lateinamerika und Afrika, und die setzt Johannes Paul II umsichtig ein in seinem Kampf „Vatikan gegen UNO“.

Der Papst, der aus dem Osten kam, spielt seine Rolle als Schutzbeauftragter der Dritten Welt geradezu meisterlich. Er werde sie, so behauptet er, vehement gegen die imperialistischen Ansprüche eines Westens verteidigen, der seinen materialistischen, hedonistischen „way of life“ der ganzen Welt aufzudrängen trachte. Und in diesem Zusammenhang fühlt er sich auch noch als „Schutzherr der Frauen“. Nicht aller Frauen freilich, sondern nur jener „echten“, die ihre Erfüllung in Mutterschaft und Familie sehen. Sollte die Diskussion weiterführen, hält Karol Wojtyla noch zusätzliche Ansprüche auf Meinungsführerschaft parat: etwa als Schutzherr in sozialen Angelegenheiten. Und darunter firmieren neben dem Gesundheitswesen (Kontrolle über die Abtreibung) auch Erziehung und Schule.

Die Chancen, daß sich der Vatikan mit seiner Forderung nach einer Einschränkung der Selbstbestimmung über den Körper durchsetzt, stehen nicht schlecht. Das aber zerstört bereits im Ansatz die große Chance, die Peking bieten würde: die Ratifizierung des Prinzips der Gleichberechtigung und des uneingeschränkten Rechts an der Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben. Mehr noch: Es würde die Chance zunichte machen, alternative Regeln auszubauen, mit denen man endlich über die Debatten über Abtreibung hinauskommen und strukturelle Fragen angehen könnte. Etwa jene, warum Frauen ärmer und krankheits- und streßanfälliger sind als Männer, warum sie mehr arbeiten müssen als Männer und warum die Gesellschaft sie noch immer nicht wählen läßt zwischen einem Leben in der Familie oder außerhalb. Raffaella Menichini

Die Autorin ist Redakteurin und Sonderkorrespondentin von „il manifesto“