■ Kommentare Neuer Auftrieb für Italiens Abtreibungsgegner
: „Präventionspflicht“

Das Thema Selbstbestimmungsrecht der Frau steht, unabhängig von der nahenden Konferenz in Peking, seit geraumer Zeit wieder im Vordergrund der politischen Diskussion. Italien spielt hier eine Vorreiterrolle. Kaum ist die erste Phase des Übergangs von der „ersten“, durch Korruption verfaulten Republik in eine „zweite“, moderne Gesellschaftsform vorbei, da wird die Abtreibung zur bevorzugten Ware beim Austausch von Gemeinheiten – so etwa beim Aushandeln von Kompromissen zwischen den politischen Gruppierungen.

Mit Erstaunen haben auch viele Frauen aus der Linken zur Kenntnis genommen, wie ihre eigenen Parteiführer bei dem unwürdigen Spiel mitmachen. So hat die PDS, die größte Partei der italienischen Linken, zusammen mit dem Katholischen Zentrum die Revisionsmöglichkeit des bisherigen liberalen Abtreibungsgesetzes ausdrücklich bestätigt. Der „Kanzlerkandidat“ der Linken, Romano Prodi, hat mehrmals angedeutet, er könne sich eine Einschränkung der Abtreibungsfreiheit durch eine „Präventionspflicht“ vorstellen. Womit er genau jenes Schlüsselwort ins Spiel bringt, das auch die Abtreibungsgegner benutzen. Sie verstehen darunter freilich nicht Empfängnisverhütung, sondern Verhütung der Abtreibung, indem die Entscheidung darüber in die Klauen der Ärzte, Richter und der Beratungsstellen der „Kämpfer für das Leben“ gelegt werden soll. Daß konservative Parteien da gerne mitmachen, versteht sich von selbst.

Auch Ärzte und Richter spielen dieses Spiel der Politiker mit. Während der Ärztebund Italiens vor zwei Monaten eine Art Standesgebot in Sachen Recht zur künstlichen Empfängnis erlassen und dabei die „Singles“ ausgeschlossen hat, stellte nahezu zeitgleich der Präsident des Verfassungsgerichtshofes in einem Interview mit Radio Vatikan die bisherige Rechtsprechung seines Hauses in Frage, wonach das Recht der Mutter auf Selbstbestimmung prinzipiell vor den Rechten des Fötus rangiert. Hier kommt eine neue Verbindung zustande: Plötzlich bekommen die Abtreibungsgegner, die, abgesehen von einigen spektakulären Aktionen wie Klinikbesetzungen, eher ein Schattendasein geführt haben, heftigen Aufwind. Es gelingt ihnen nun, die Abtreibungsfrage mit dem Ungehagen vor neuen, unbekannten Empfängnistechnologien zu verbinden. Nun soll ein neues Gesetz „alles zusammen regeln“ – in der Hoffnung, während der Neudiskussion einiges von der alten Regelung zu kippen.

Feministinnen und Juristinnen halten dagegen, es könne nicht angehen, Frauen in ihrer Beziehung zu Zeugung und Schwangerschaft erneut zu reglementieren. Für die neuen und alten Abtreibungsgegner handelt es sich hier aber um einen symbolischen Kampf, der zur Metapher des Geschlechterkampfes um die Vorherrschaft wird. Ida Dominijanni

Die Autorin ist Frauenredakteurin bei „il manifesto“