Kunststück aus Schilda

Künstler raus aus den Museen! Unter diesem Leitgedanken erprobt Bremen seit über 20 Jahren sein Programm „Kunst im öffentlichen Raum“. Daß der öffentliche kein Schonraum ist für die Künste, gehört zu den schmerzhaften, bisweilen aber auch erhellenden Erfahrungen dieses Langzeitversuchs. Jetzt hat's einen erwischt, der sich im öffentlichen Raum bundesweit so breit gemacht hat wie kaum ein zweiter. Ulrich Rückriems Steinplastiken zieren Fußgängerzonen und Rathausvorplätze von Flensburg bis Rosenheim. In Bremen ist eine direkt vorm Neuen Museum Weserburg gelandet. Spötter sprechen schon mal von „drop art“: Kunstobjekte, wie aus dem UFO in die Landschaft geplumpst, wo sie dann, je nach Gemütslage des Betrachters, Befremden oder Ehrfurcht zeitigen. Unbeeindruckt blieben allein die MitarbeiterInnen des Bremer Stadtamtes. Die pflanzten neben den monumentalen Kunstklotz ein nicht minder monumentales Verkehrsschild auf. Und zwar so, wie es sich gehört: Daß es den Vorschriften entspricht. Nämlich: unter Beachtung sowohl des „Lichtraumprofils“ (d.h.: die Autos müssen soviel lichten Raum um ihre Karosserie haben, daß das Blech keinen Schaden nimmt) als auch der „Sicht- und Begreifbarkeitsgrundsätze“ (d.h.: die Autofahrer müssen sehen und begreifen, worauf sich das Schild bezieht – hier: auf die Besucher- und Behindertenparkplätze des Museums). Und da man bei der Behörde keine Zeit hat, „vor jeder Schilderaufstellung eine Ortsbesichtigung vorzunehmen“, muß eben nach Lageplan vom Schreibtisch aus entschieden werde. Den Rest „machen dann die Firmen, die von uns mit dem Schilderaufstellen beauftragt werden, die kennen die Vorschriften“, sagt Klaus Hinte, Leiter der Straßenverkehrsbehörde. Und so pflanzte man das Schild eben vor Rückriems Kunststück auf. Das nun derart bedrängt wird, daß die Museumsleute schier verzweifeln möchten. „Wir waren schockiert“, sagt Kustodin Hanne Zech. Ein Ortstermin wurde erwirkt, aber bisher nichts bewegt. Denn stünde das Schild in gebührendem Abstand zur Kunst, dann wäre es auch zu weit weg von den betreffenden Parkplätzen – der öffentliche Raum würde zum Freiraum für wilde Parker verkommen, ahnt Hinte. Aber das Stadtamt behalte die Sache im Auge. Für die Kopfschmerzen der Museumsleute allerdings hat Hinte kein Verständnis: Das sei eben die typisch bremische „Ignoranz bder Gestaltung vor der Funktion“. Da hätte man sich eben Gedanken machen müssen, bevor man die Kunst so nah an einen geplanten Parkplatz stellt – „da muß man eben bestimmte Normen einhalten“.

tw/Foto: Kirsten Lorenz