: Boulevard nach Übersee
■ Überseemuseum bandelt mit der Wirtschaft an – und hofft auf Umsatzplus
Nun probieren auch die großen Kulturhäuser die vielbeschworene Zauberformel aus: Teilprivatisierung öffentlicher Einrichtungen. Ab sofort gibt das Überseemuseum seinen Museumsshop, den kleinen Vortragssaal und das Restaurant als Paket in private Hände ab. Die Bremer Szene-Gastronomen Ullrich Mickan und Laci Klein haben am Montag den Vertrag mit dem Museum unterschrieben – nach über einem Jahr zäher Verhandlungen. Grund: Die Pächter sollen nicht nur das Risiko der Bewirtschaftung tragen, sondern auch noch die Investitionen für den Umbau übernehmen; geschätzte Höhe: 1,4 Millionen Mark. Damit ist das Museum nicht nur die Sorge des zuletzt unattraktiven Lokals los. Man erhofft sich auch eine Umsatzbeteiligung von 80.000 bis 120.000 Mark im Jahr – ein Ertrag, der – anders als bisher – zum großen Teil in der Museumskasse bleiben soll.
Bisher nämlich flossen die Einnahmen des Museums direkt ans Liegenschaftsamt ab. Der Anreiz für das Museum, überhaupt etwas selbst zu erwirtschaften, war damit gering. Viel war es ohnedies nicht, was da zusammenkam: 1500 Mark monatlich aus der Verpachtung des Restaurants. Daß nun das Museum auf eigene Rechnung verpachten und wirtschaften kann, sei mit dem Finanzsenator abgesprochen, erklärten die Museumsleute gestern bei einer Pressekonferenz. Damit „erfüllen wir als erste die Koalitionsvereinbarungen mit Leben“, sagt Götz Mackensen, Museumssoziologe und zugleich verantwortlich für den Umbau des Foyers.
Daß das Unternehmen wirklich mehr Geld in die chronisch leere Museumskasse bringt – diese Hoffnung gründet sich nicht allein auf den guten Ruf des neuen Gastronomen-Duos, das u.a. Läden wie das „Sewastopol“ und das „Scusi Tedeschi“ in Schwung brachte. Viel verspricht man sich auch von den längeren Öffnungszeiten. Ab 10 Uhr morgens sollen die Schulklassen an der neuen Milchbar des Hauses bedient werden; bis nachts um 2 Uhr können dann die Nachtschwärmer im umgestylten Lokal an tropischen Cocktails süppeln. Im Blick hat man freilich auch schon das Publikum des „Cinemaxx“-Kinocenters, das Ende nächsten Jahres direkt nebenan eröffnen will. Bisher schloß das Museumslokal pünktlich mit dem Rest des Hauses um 17 Uhr. Künftig soll eine gläserne Wand Lokal und Museum voneinander abgrenzen, so daß sich beides separat betreiben läßt.
Schon schwärmt Macksensen: Das neue Lokal samt Shop etc. „soll Leben und Farbe ins Museum bringen“. Ja, „eine Art Boulevard-Charakter“ möge gar im neuen Foyer und umzu entstehen. Daß der kommerzielle Rummel vielleicht einmal nicht mehr viel mit dem Überseemuseum zu tun haben könnte – diese Sorge teilt das Museum nicht. Man habe sich im Vertrag Mitspracherecht gesichert, wenn es z.B. um die Bestückung des Shops geht. Da soll „ausschließlich Qualität“ angeboten werden – vom Plastik-Dino für fünf Mark bis zum Original Eskimo-Parka für 5000 Mark.
Daß das Ganze für das Museum dennoch ein Wagnis ist, gibt Direktorin Viola König zu. Man wolle Stück um Stück ausprobieren, wie weit man bei der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft gehen könne. Schon bei der Suche nach den neuen Pächtern steuerte König einen riskanten Kurs. Die hohen und auf dem Markt bisher unüblichen Forderungen des Museums hatten zahlreiche Interessenten vergrault. „Wir wollten zeigen, daß es geht“, sagt Mackensen trotzig; König räumt ein, daß man auch hätte scheitern können: „Dann hätten wir zähneknirschend sagen müssen: Restaurant und Shop werden getrennt vergeben.“
Denn die neuen Pächter müssen fast sämtliche Umbaukosten allein tragen. Lediglich die versifften Abzugsrohre muß das Museum herrichten lassen. Schnell soll es außerdem gehen: Klein & Mickan sollen ihren Wunderladen schon in knapp sechs Wochen eröffnen; Stichtag ist der 5. Oktober. Im neuen, umgebauten Foyer – gestern feierlich eröffnet – plante hingegen die öffentliche Hand und brauchte etwas länger: Die ältesten Anträge datieren vom Februar 1993. Auch kam der städtische Umbau etwas billiger als die 1,4 Millionen, die die privaten Investoren hinlegen müssen. 360.000 Mark kostete das neue Foyer, und das Geld kam von der Stiftung Wohnliche Stadt. tw
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