Kartoffeln statt Sozialhilfe

■ Verrätselte Beschlüsse der Sozialdeputation zu Flüchtlingen in Mahndorf

Unstimmigkeiten herrschen bei den Mitgliedern der Sozialdeputation über das, was sie selbst am vergangenen Donnerstag beschlossen haben: Karoline Linnert, für die Grünen in der Deputation, geht davon aus, daß gemäß ihrem Antrag alle 65 Flüchtlinge der Unterkunft Nußhorn demnächst Geld- statt Sachleistungen erhalten.

Das Sozialressort interpretiert das Ergebnis der Sitzung indes anders, teilt Behördensprecher Jochen Eckertz mit. Nur die drei Familien (11 Personen), die länger als ein Jahr in der Unterkunft leben, sollen Geldleistungen erhalten. Die anderen 54 Personen sollen weiterhin Lebensmittelpakete bekommen. Die Deputation habe lediglich die Verwaltung mit einer Prüfung beauftragt, ob die durch die unterschiedlichen Leistungen entstehenden Ungleichheiten vermieden werden können. Dabei, bestätigt Deputationssprecherin Elke Steinhöfel (SPD), sei darüber diskutiert worden, ob den 54 Flüchtlingen, die Sachleistungen erhalten, eventuell ein gekürzter Regelsatz ausgezahlt werden soll. Das aber sei nicht beschlossen worden, schon weil dies, so Steinhöfel, gegen die Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) verstoße und nur in „extremen Situationen“ erlaubt sei.

Im Normalfall erhalten Flüchtlinge gemäß AsylbLG im ersten Jahr ihres Aufenthaltes lediglich Sachleistungen und ein Taschengeld von 80 Mark. Doch selbst das 1993 geschaffene restriktive AsylbLG sieht Ausnahmeregelungen vor: „Soweit es nach den Umständen der Unterbringung oder der örtlichen Gegebenheiten erforderlich ist“, können unbare Abrechnungen durch Geldleistungen ersetzt werden.

Besondere Umstände aber sieht die Sozialbehörde in Nußhorn nicht gegeben und verweist auf den Normalfall. Dabei aber wird verschwiegen, daß die Sozialbehörde bis Anfang August selbst gegen diese Normalfall-Bestimmungen verstoßen hat: Bis dahin nämlich erhielten sämtliche BewohnerInnen der Flüchtlingsunterkunft lediglich Sachleistungen. Dies, obwohl im Juli sieben Personen im heim wohnten, die länger als 12 Monate in Deutschland waren, und folglich einen Anspruch auf Geldleistungen nach dem Bundessozialhilfegsetz hatten. Doch selbst die 13 Personen, die als asylberechtigt anerkannt waren und Anspruch auf die volle Sozialhilfe gehabt hätten, erhielten in Nußhorn Sachleistungen und mußten sich mit der von der Awo gestellten, und von den Flüchtlingen immer wieder als mangelhaft kritiserten Vollverpflegung begnügen. „Die hätten ja gar nicht kochen können, weil es im Juli noch keine Küche im Heim gab“, lautet die Begründung aus der Sozialbehörde.

Die Flüchtlinge konnten erst durch einen Hungerstreik erwirken, daß Anfang August die erste von drei Küchen in der Unterkunft geöffnet wurde, und die Vollverpflegung durch die Selbstversorgung ersetzt wurde. Die BewohnerInnen erhalten seitdem Pakete mit Lebensmitteln, die sie selbst zubereiten können. Seit dieser Zeit erhalten auch diejenigen Geldleistungen, die einen Anspruch darauf haben.

Nachdem gestern die letzten als AsylbewerberInnen anerkannten Personen ausgezogen sind, können 11 Personen ihre Lebensmittel selbst kaufen. Die anderen 54 erhalten Lebensmittelpakete. „Schwachsinn“, kommentiert Karoline Linnert diese Regelung, die zur Ungleichbehandlung führe. Daß die Sozialbehörde ihren Deputationsantrag als nicht beschlossen ansieht, und stattdessen auf die Ergebnisse des Prüfungsauftrages warten will, empört Karoline Linnert: „Es war eindeutig beschlossen, daß auch die Geld kriegen sollen, die noch kein Jahr hier leben. Dazu stehe ich. Dafür habe ich Zeugen.“ dah