amnesty: Inhaftierungen zu schnell und zu lang

■ Gewalt und fehlende medizinische Betreuung in Abschiebehaft beklagt

Menschenunwürdige Zustände im Polizeigewahrsam hat gestern die „Initiative gegen Abschiebehaft“ bei einer Pressekonferenz mit VertreterInnen der Ärztekammer und von amnesty international angeprangert. In einer Reihe von Fällen seien in Abschiebehaft sitzende Flüchtlinge durch Wachpersonal mißhandelt worden, ihre medizinische Betreuung sei unzureichend bis fahrlässig, beklagte Angela Hamaiel von der Initiative.

Einen Betroffenen hatte sie mitgebracht. Der aus dem Libanon stammende Palästinenser Ali Kamal berichtete, er sei in der Kruppstraße mehrfach geschlagen worden. Einmal habe er während des Fastenmonats Ramadan abends Kaffee kochen wollen. Mehrere Bedienstete hätten ihm das verweigert und auf ihn eingeschlagen, danach sei er in Einzelhaft gesteckt worden.

Der junge Palästinenser gehört zum Kreis der „Baumbesetzer“, die im Sommer 1993 mit Selbstmord drohten, wenn sich nichts in der Haft ändere. Es änderte sich etwas: Kamal kam in die Strafhaft Moabit. Nach 16monatiger Haft wurde er im März freigelassen, weil die libanesischen Behörden ihm – wie den allermeisten Palästinensern aus dem Libanon – keinen Reisepaß ausstellten.

Ständige Schmerzen machten ihm damals zusätzlich zu schaffen. Der polizeiärztliche Dienst habe es jedoch abgelehnt, seinen Muskelschwund und seine Beinverkürzung, beides Folgen einer Kinderlähmung, zu behandeln. Statt dessen hätten ihm die Sanitäter, wiewohl dazu gar nicht berechtigt, verschreibungspflichtige Psychopharmaka verordnet, die ihn nach kurzer Zeit süchtig machten.

Ulla Peitz, Ärztin und Menschenrechtsbeauftragte der Ärztekammer, berichtete einen anderen Fall. Ein von ihr betreuter Tamile habe mit einem gefährlich geschwollenen Bein ohne Behandlung in Abschiebehaft gesessen. Erst nach ihrer Intervention gestand ihm der Polizeiarzt Stützstrümpfe zu. Es seien bloß keine vorhanden gewesen. Als die Frau des Tamilen Strümpfe auf eigene Rechnung mitbrachte, bekam er sie nicht ausgehändigt. Begründung: Das seien gefährliche Gegenstände.

Ellis Huber, Präsident der Ärztekammer, befand deshalb einen „von der Polizeigewalt unabhängigen medizinischen und psychosozialen Dienst“ für notwendig. Ein solcher Dienst, rechnete Huber vor, koste jährlich gerade mal 250.000 Mark.

Abschiebehaft werde hierzulande viel zu schnell verhängt und dauere viel zu lange, monierte Michael Maier-Borst, Referent für politische Flüchtlinge im Bundesvorstand von amnesty international. Ein neues Abschiebehaftgesetz in Berlin werde daran auch kaum etwas ändern. Ute Scheub