■ Karadžićs „Parlament“ stimmt den US-Vorschlägen zu
: Schlechte Karten für Sarajevo

Mag sein, daß Yasushi Akashi Wort hält. Eine „massive Antwort“ hatte der UN-Sondergesandte für Ex-Jugoslawien angekündigt, falls sich herausstellen sollte, was das UN-Hauptquartier in Zagreb inzwischen bestätigt hat: Die Granate, die im Zentrum von Sarajevo 37 Menschen tötete, wurde von Soldaten des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić abgefeuert. Doch wichtiger als alle Vergeltungsschläge ist der Schutz der Bürger Sarajevos. Dieser, so ließ jetzt Jacques Chirac verlauten, könne nur durch eine vollständige Demilitarisierung Sarajevos garantiert werden. Sein bosnischer Kollege Alija Izetbegović wird sich für den Vorschlag bedanken. Srebrenica läßt grüßen. Weshalb fordert der Franzose nicht die Demilitarisierung Pales, wo Karadžić residiert?

Es gibt keine Indizien dafür, daß UNO und Nato gewillt sind, einen effektiven Schutz Sarajevos langfristig zu garantieren. Im Gegenteil, die Zeichen stehen auf Abzug. Selbst eine Sperrzone für schwere Artillerie im Umkreis von 20 Kilometern der Stadt, wie sie der UN-Sicherheitsrat vor 18 Monaten beschlossen hat, ist nicht mehr im Gespräch. Für ihre Durchsetzung hätte es des Massakers nicht bedurft. Umgekehrt: Es hätte damit verhindert werden können. Nicht Vergeltung ist angesagt, sondern Prophylaxe.

Doch Sarajevo hat schlechte Karten. Gestern akzeptierte das „Parlament“ von Pale die neuesten Friedensvorschläge der USA, die im einzelnen noch nicht bekannt sind. Aber man darf davon ausgehen, daß der serbischen Seite, der man vor einem Jahr den allerletzten Friedensplan mit einem ultimativen „Take it or leave it“ serviert hat, neue Konzessionen gemacht werden. Ein Austausch der UN-Schutzzone Goražde gegen Gebiete in Sarajevo – die Bevölkerung, die niemand fragt, jeweils eingeschlossen – ist im Gespräch. Karadžićs Republik soll sich mit Serbien konföderieren dürfen, was das Ende einer souveränen Republik Bosnien-Herzegowina bedeuten würde. Nach der Annahme der US-Vorschläge durch Karadžić liegt nun der Schwarze Peter bei Izetbegović. Schon bald dürfte der bosnische Präsident, der Goražde nicht aufgeben will, als Kriegstreiber dastehen. Die Frage seines Regierungschefs, ob Sarajevo eine Schutzzone oder Killergebiet sei, wird dann obsolet sein. Und auch nach den Tausenden von Menschen, die jüngst in Srebrenica verschwunden und vermutlich ermordet worden sind, wird niemand mehr fragen. Die Toten könnten die Verhandlungen stören. Thomas Schmid