Die Angeklagte will nicht mehr

■ Im neuen Verfahren zur Schleyer-Ermordung läßt sich die frühere RAF-Aktivistin Sieglinde Hofmann ausschließen. Die Verteidigung überläßt Anklagevertretern das Feld. "Dies ist ein Schauprozeß"

Berlin (taz) – „Ich werde an diesem Verfahren nicht teilnehmen. Es wird auch keine Verteidigung geben in diesem Schauprozeß.“ Mit diesen Worten leitete die seit über 15 Jahren inhaftierte RAF- Gefangene Sieglinde Hofmann gestern im Prozeßbunker von Stuttgart-Stammheim eine kurze politische Erklärung und ihren Ausschluß von der Verhandlung ein. Die Unterstützer im bis zum letzten Platz gefüllten Saal anworteten mit Parolen: „Freiheit für alle politischen Gefangenen! Hoch die internationale Solidarität!“

Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter seinem Vorsitzenden Kurt Breucker schloß die Angeklagte aus, als sie mit fortgesetzter Störung der Verhandlung drohte. Daraufhin verließen auch die Demonstranten geschlossen das Prozeßgebäude.

In der anschließend verlesenen Anklage der Bundesanwaltschaft legte deren Sitzungsvertreter Rainer Griesbaum Sieglinde Hofmann unter anderem fünffachen Mord und achtfachen Mordversuch zur Last. Sie soll zum vierköpfigen „Kommando Siegfried Hausner“ gehört haben, das am 5. September 1977 den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entführte und seine vier Begleiter erschoß. Auch an der Entscheidung zur Ermordung Schleyers sechs Wochen später sei Hofmann beteiligt gewesen, außerdem an der Vorbereitung des gescheiterten Sprengstoffanschlags auf den Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Alexander Haig, im Juni 1979.

Der dritte Komplex der Anklage, Hofmanns vermutete Mittäterschaft beim ebenfalls fehlgeschlagenen Raketenwerferanschlag auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe im Juli 1977, wird voraussichtlich heute eingestellt. Das erwartet Hofmanns Verteidiger Heinz-Jürgen Schneider.

Die 50jährige Angeklagte und ihr Anwalt begründeten ihre Verweigerung einer konventionellen Verteidigung mit der „Käuflichkeit der Kronzeugenmannschaft“. Die Kronzeugenregelung habe das Verfahren erst möglich gemacht, das Urteil „lebenslang“ stehe bereits fest. „Zu verteidigen ist in diesem Prozeß nichts“, sagte Schneider. Und Hofmann: „Dieser Prozeß ist bedeutungslos.“ Der einzig wichtige Prozeß sei der „politische Prozeß“ gegen das imperiale System.

Anklagevertreter Griesbaum wies alle Vorwürfe gegen die Kronzeugen und den Verhandlungsort Stammheim zurück. Das neue Verfahren gegen die Langzeitgefangene, die eine 15jährige Haft im Mai 1995 voll verbüßt hatte, verteidigte er mit den Worten: „Die Justiz darf diese Straftaten, besonders den Tatkomplex Schleyer, nicht vergessen, und sie wird sie nicht vergessen.“ Das Prozeßgebäude in Stammheim sei „nichts anderes als die notwendige Reaktion des Staates auf die Straftaten der terroristischen Vereinigung RAF“. Gerd Rosenkranz