Kleinkariert durchs Kunstgestrüpp

■ Zwei komische Heilige: Anna & Bernhard J. Blume, derzeit in der Kunsthalle vertreten, über ihre Anschläge auf die deutsche Kunstphilosophie und das universale Kleinbürgertum

Er im kleinkarierten Jackett, Sie im geblümten Glockenrock, beide glücklich in die Kamera grinsend: So lacht uns das Künstlerpaar Blume seit gut 15 Jahren entgegen. Das urdeutsche Spießerwesen hat in Blumes Fotoserien seine perfekte künstlerische Form gefunden. Kein deutscher Künstler identifiziert sich stärker mit den alten Klischees als die Blumes; keiner setzt sich ebenso schwarzhumorig wie tiefgründig mit dem Wahnsinn des Kleinbürgertums auseinander. In der Bremer Kunsthalle zeigen die Blumes seit dieser Woche ihre jüngsten Anschläge aufs deutsche Gemüt („Transzendentaler Konstruktivismus“). Der taz erzählten sie im Interview, wieso das alles überhaupt nicht komisch ist.

taz: Sie nehmen das alles ja noch mit Humor; eher eine Seltenheit in der deutschen Kunstszene. Worüber lachen wir eigentlich, wenn wir Ihre Bilder betrachten?

Bernhard J. Blume: Das frage ich Sie! Also, das Ganze ist zwar auch –ne Lachnummer, aber eigentlich ist ja das Inszenieren eine ernsthafte Gestaltungsarbeit.

Anna Blume: Wir lachen bei der Arbeit eigentlich über andere Sachen. Nicht über unsere Bildergebnisse, sondern darüber, was an Komik bei der Arbeit entsteht.

Bernhard B. Wenn Anna zum Beispiel –ne Maschine baut, mit der man an Nylonfäden die Kartoffeln hochziehen muß, damit sie auf dem Foto aussehen, als ob sie in Bewegung seien. Wenn man das ein paar Mal gemacht hat und der Faden plötzlich reißt und alles runterfällt – das finden wir dann lustig. Obwohl es eher zum Weinen ist.

Ist Humor nicht fehl am Platz, wenn es um so wichtige Dinge geht wie Kunstphilosophie, um Kant und Hegel?

Bernhard B.: Im Gegenteil! Über Hegel kann man eigentlich eh' nur noch lachen. Und Kant war eigentlich auch ein armer Teufel. Der war erst ganz zuletzt auf dem Totenbette in der Lage, den Mund zu spitzen, um seinen Diener Lamprecht zum Abschied zu küssen.

Komisch finden viele Betrachter ja auch ihre 50er-Jahre-Spießerkluft, in der Sie ihre Fotoaktionen durchführen. Wie lange ist das denn noch lustig? Das sind doch inzwischen schon historische Kostüme.

Bernard B.: Absolut. Aber sie sind gar nicht so lustig gemeint. Es sind einfach Kostüme für ganz bestimmte Rollenklischees. Darüber kann man schmunzeln, aber eigentlich sind es tragische Kostüme. Das kleinkarierte Jackett bei Ihm, die großen Blumenmotive und das Pflanzliche bei Ihr – das sagt ja doch, hochsymbolisch, immer noch –ne ganze Menge aus über die Rollen von Mann und Frau.

Anna B.: Aber es gibt auch andere Klamotten, zum Beispiel die Kleider mit den abstrakten, konstruktivistischen Motiven. Das spricht eigentlich mehr für die tragische Anpassung der Frau ans Patriarchat.

Bernhard B.: Bestimmte geometrische Muster, die traditionell jedenfalls nicht dem sogenannten „weiblichen Denken“ zugeordnet werden – obwohl ich –ne Mathematiklehrerin hatte, deren mathematisches Niveau ich nie erreichen werde in meinem Leben.

Das müssen Sie schon zugeben.

Bernhard B.: Das muß ich zugeben, ja; und auch Anna kann besser rechnen als ich.

Frau Blume, das „Geistige in der Kunst“ wurde von Männern entdeckt. Jetzt kommen Sie daher und machen sich darüber lustig.

Anna B.: Für mich sind das keine ewig gültigen Weisheiten, sondern skurrile Sprüche. Die Konstruktivisten – ob das Mondrian, Malewitsch oder von Doesburg waren – sind halt die Künstlerheroen der Moderne. Inzwischen ist das schon zu einer Art Quasi-Religion geworden. Ich habe das hier thematisiert, um es zu dekonstruieren, mit Hilfe meiner Zeichnungen. Malewitschs Weltanschauung ist ja die, daß er alles Gegenständliche eliminieren will. Er baut dagegen eine ungegenständliche, unsinnliche Welt auf – und das soll die wahre Wirklichkeit sein! Das wollte ich so nicht akzeptieren. Darum habe ich seine Bildentwürfe genommen, auf ein T-Shirt gemalt, sie über den Körper gezogen. Dadurch schlägt das Leibliche wieder durch und macht sich im Bild breit.

Fühlen Sie sich von den Konstrukten der Kunsttheorie bedroht? Auf Ihren neuen Bildern werden Sie ja förmlich durchbohrt davon.

Anna B.: Ja, natürlich. Man könnte ja sagen: Das ist das System, was sich da verselbständigt. Und das ist immer –ne Bedrohung. Wir haben das ja nicht mehr in der Hand, können das nicht mehr steuern.

Bernhard B.: Das muß natürlich alles inszeniert werden, das muß vorher angefertigt werden. Und was wir vorher anfertigen, kann uns real nicht bedrohen. Künstler fertigen ja nur Symbole, Metaphern, Zeichen, Logos für etwas an, wofür diese Zeichen stehen.

Nun findet z.B. Wulf Herzogenrath, daß Sie eine besonders deutsche Kunst machen würden. Was ist denn so deutsch an Ihnen?

Bernhard B.: Diese Kleinbürgerkultur findet man überall, in Abwandlungen gibt es das in ganz Europa und bis nach Los Angeles hat sich das verbreitet. Es ist sicherlich was typisch Deutsches dran, aber das war nicht beabsichtigt. Jeder gute Künstler arbeitet wahrscheinlich von seinen Wurzeln her. Das stand eben an in den 60er, 70er Jahren: den Alltag zu thematisieren. Wir sind ja schließlich die Kinder von Fluxus und Happening. Wir haben diese Alltagsperformances von damals nur wieder in ein stilles Medium zurückversetzt, in die Fotografie. Dabei spielt natürlich immer wieder die Kulisse eine große Rolle, und die ist bei uns eben alltäglich und womöglich auch noch deutsch. Wir sind jedenfalls nicht so deutsch wie etwa Lüpertz oder Baselitz. Das sind deutsche Künstler, die das auch ständig betonen.

Im Sinne von teutonisch?

Im Sinne von: teutonisch-angestrengt. Fragen: Thomas Wolff

Blumes Ausstellung läuft bis 1. Oktober in der Bremer Kunsthalle