Der Sparzwang-Blues

Landesrechnungshof und Vorstände rücken den imageträchtigen Betriebsorchestern von BSR, BVG und Polizei zu Leibe  ■ Von Gunnar Leue

Das Verhältnis der Berliner Stadtreinigung (BSR) zu musikalischen Darbietungen ist durchaus diffizil. Nicht bloß, weil ihr die Nachbereitung der müllträchtigen „Love Parade“ obliegt. Auch im eigenen Unternehmen scheint die Freude an den fröhlichen Musikanten abzunehmen. Die hauseigene 20köpfige Big Band wird zunehmend als Kostenfaktor betrachtet, seit man nicht mehr Eigenbetrieb des Landes ist.

Das Betriebsorchester, das seine Ursprünge im Jahr 1928 hat, muß um sein Überleben – zumindest in der jetzigen Form – kämpfen. Die Kosten liegen bei rund 800.000 Mark im Jahr, bestätigte BSR-Pressesprecher Bernd Müller. Die Zukunft des „ausgezeichneten Imageträgers für die BSR“ sei „ungewiß“. Hans-Georg Hentschel, organisatorischer Leiter und seit 20 Jahren Trompeter in der Combo, ist enttäuscht, daß die Arbeit der Musiker „offenbar nicht sehr anerkannt“ wird. Wo man doch eigentlich Freude bereiten wollte.

Das kann jedoch besonders einen Mann wenig beeindrucken: Horst Grysczyk. Der Präsident des Landesrechnungshofs will die Notwendigkeit einer teuren Betriebskapelle nicht erkennen. Immerhin würden die Musiker als Halbprofis bezahlt. 51 Prozent ihrer Arbeitszeit dienen sie der BSR als Verwaltungsangestellte, den Rest haben sie für Proben und Konzerte frei. Über die Entsorgungsgebühren würden die Bürger die Big Band letztlich mittragen. Nicht mal das Argument der kulturellen Tradition läßt er gelten: „Bei der BSR hält sich das wohl in gewissen Grenzen.“

Einseitiges Kulturbanausentum kann man dem öffentlichen Ausgabenwächter freilich nicht vorwerfen. Das ebenso hochgehandelte wie -bezahlte Polizeiorchester ist ihm nicht weniger suspekt. Seine Kritik an dem Betriebsklangkörper der Ordnungsmacht nennt er offen: Es ist zu groß und zu teuer (einige Millionen Unterhalt jährlich). In Zeiten knapper Kassen müßte das Land finanziell eben Prioritäten setzen.

Dagegen hält der Senat stets die wichtige Funktion der Vollprofi- Kapelle als Werbeträger für die Polizei und die Stadt. Doch selbst die sieht der Rechnungshof nicht mehr ausreichend erfüllt. In einem Bericht kritisierte er die viel zu häufigen Auftritte des Orchesters „in Senioren- und Pflegeheimen sowie in Seniorenwohnanlagen“. Die dürften aber nicht zur Hauptaufgabe des Polizeiorchesters werden.

An der musikalischen Qualität seines Ensembles läßt der Geschäftsführer des „Landesprotokollorchesters“ (Amtsdeutsch), Michael Bucher, keine Zweifel. Außer den ZDF-Musikantenstadl und diverse andere Volksfeste beliefern die 47 Musiker auch Sportveranstaltungen. Bei einer solchen haben die aus 14 Nationen rekrutierten Uniformträger aus dem Sonderdezernat Tuten und Blasen sogar die neue Hymne Lettlands gespielt, als die noch nicht mal deren Botschafter kannte. Trotz solcher Geniestreiche wird das Orchester „regelmäßig im Sommerloch“ (Bucher) in Frage gestellt.

Bei aller Gelassenheit, auf dem Feld der Berliner Betriebsorchester wuchert infolge versiegender Geldquellen Unsicherheit. Auch bei der BVG macht man sich seine Gedanken, wie es mit dessen 1902 gegründetem Firmenorchester weitergehen soll. Die vierzig Mitglieder sind zwar allesamt im Fahrdienst tätig oder bereits in Pension, aber für ihre Auftritte auf Streckeneröffnungen, Straßenfesten oder Beerdigungen von BVGlern bekommen sie frei.

Auch hier machen die Einnahmen von 30.000 Mark im Jahr keineswegs die Kosten wett. Deshalb gibt es im BVG-Vorstand Überlegungen, so der für die Vermarktung der Truppe zuständige Michael Ingold, die Anzahl der Auftritte zu senken. Den Weg der ehemaligen BVB-Schalmeienkapelle wird sie jedoch kaum gehen. Die Ost-Kollegen bestehen nur noch als eine Art Betriebssportgruppe weiter.

So ähnlich läuft das beim privaten Großunternehmen Siemens. Die „Siemens Big Band“ gehört als reine Freizeitcombo zum Kulturkreis Siemens. Sponsoring vom Konzern gebe es nicht, sagt Big- Band-Leiter Günter Geschefsky (Saxophon), nur den Probenraum und selten mal einen Zuschuß für ein teures Instrument. Die Musiker, die nicht mehr bei Siemens arbeiten, müssen deshalb 30 Mark Jahresbeitrag zahlen. Für Rechnungshofchef Grysczyk ist das in etwa Vorbild für andere Betriebsorchester.